Full text: ¬Die Agrarfrage der Gegenwart (2)

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Dazu gehört vor Allem die vollständige prin 
cipielle Abschaffung der Naturalleistungen, 
so daß alle Producte durch die Geldform hindurch 
müssen. Der Liberalismus hat hier das Kind mit 
dem Bade ausgeschüttet. Die Naturalleistung liegt 
gerade im Wesen der Landwirthschaft, die Geldleistung 
aber macht sie vom Markte und dessen Schwankungen 
abhängig und zwar in doppelter Hinsicht: vom 
Waaren= und vom Geldmarkte. Viele Landwirthe 
würden heute noch ihre Verpflichtungen, ihre Grund 
zinsen und Steuern, je nach Umständen lieber in 
Gestalt von Früchten entrichten, statt diese erst auf 
dem Markt in Geld umzusetzen und damit die 
Gläubiger oder die Staatskasse zu bezahlen. Jeden 
falls ist der Bauer durch die Abschaffung sämmtlicher 
erringen will. Ich will nicht rühmen, sondern nur historisch 
bemerken, daß die große Mehrzahl der Gutsbesitzer sich bisher 
bereitwillig der herrschenden Sitte fügten, indem sie bei 
Unglücksfällen, Viehsterben, Nothjahren die 
Eingesessenen ihrer Güter ausreichend unter 
stützten, viele in einem Maße, von welchem unsere weltver 
bessernden Schwätzer in ihren Declamationen gegen das Junker 
thum gar keine Ahnung haben." („Reichsbote“, 1881, Nr. 
226, Beil.) 
Ein anderes Beispiel aus Niederschlesien: Dort 
überließen seit alter Zeit die Grundherren ihren Unterthanen 
gegen gewisse Dienste und Abgaben eine Fläche Landes, deren 
u 
Größe in den meisten Fallen derart bemessen wurde, daß eine 
Nahrung für eine Familie geschaffen war. Auf diese Weise 
entstanden in Niederschlesien jene zahllosen sogenannten Stellen 
mit einer Bodenfläche von 6 bis= 12 Morgen. Da eine 
Verschuldung gesetzlich nicht stattfinden konnte, 
war dies groß genug, um einer Familie einen bescheidenen, 
aber sorgenfreien Unterhalt zu gewähren. Die Gesetzgebung 
unseres Jahrhunderts hat nun die frühere Abhängigkeit von 
dem Grundherrn abgeschafft, aber die ehemaligen Gutsunter 
thanen sind nicht wirklich freie Landwirthe geworden, sondern 
jene „Stellenbesitzer“ wie man sie nennt, sind ganz erdrückt 
von Hypothek= und Personalschulden, fristen ein sorgenvolles 
Dasein, welches trotz des großen Fleißes, der größten Spar 
samkeit und Entbehrungen schließlich zur Veräußerung der 
„Stelle“ führt. Ein Anderer übernimmt sie, erleidet nach 
einigen Jahren dasselbe Ungkück und so geht diese Auswucherung 
des Kleinbauern weiter.
	        
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