Full text: ¬Die Agrarfrage der Gegenwart (2)

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sprechend behandelt. Das römische Recht kennt diese 
Rücksichten durchaus nicht. Ihm ist es nicht um den 
freien Bauernstand, sondern um das städtisch-capi 
talistische Interesse zu thun. Die alten Deut 
schen hatten durchweg, wohl mit Ausnahme 
der Sachsen, die gleiche Erbtheilung des 
Grundbesitzes.*) Als nun das Feudalwesen 
Rom. Romulus gab jedem Bürger zwei Tagwerk 
(jugera, jedes 240 Fuß lang und 120 Fuß breit, also 
28,800 □ Fuß). Gleichzeitig ermöglichten ausgedehnte Ge 
meindeweiden dem kleinen Manne die Haltung seines 
Viehes, so daß er mit dieser Hilfe von seinen 2 Tagwerken 
ganz wohl seine Familie ernähren konnte. Krieg und Waffen 
dienst stürzten ihn allerdings in Schulden, aber lange Zeit blieb 
der römische Bürger Soldat und Kleinbauer zugleich. Noch 
der große Regulus besaß nur 7 Tagwerk. Immer schneller 
aber häuften dann der Adel und die geldreichen Stände großen 
Grundbesitz an und betrogen das Volk durch willkürliche Gesetz 
gebung, durch die Macht des Geldes und der Zinsknechtschaft 
um das eroberte Land. Vergeblich war der Ansturm der Volks 
tribunen und der Erlaß zahlreicher agrarischer Gesetze, die Selbst 
sucht der Großen und ihr Geld durchbrachen immer wieder die 
Schranken, Alles ward seil. Das Geldcapital fraß Grund und 
Boden und dessen einst freie Bebauer auf, zwang sie in die 
Schuldknechtschaft, vertrieb sie dann von Haus und Hof und 
ersetzte sie durch Sclaven, die in unruhigen Zeiten gefesselt zur 
Arbeit geschickt wurden. Immer größer wurde der Grundbesitz 
in der Hand einiger weniger Geldherren, bis endlich weite 
Gebiete des Weltreiches in einzelne Latifundien zerfielen. Hier 
drohte beständiger Aufstand der Sclaven und in der Hauptstadt 
sammelten sich die depossedirten und deklassirten Bauern= und 
Handwerker als gefährlicher und käuflicher Pöbel. Seine 
Ernährung geschah durch Aussaugung der unterworfenen Pro 
vinzen, so daß auch diese zu Grunde gerichtet wurden. An dem 
ungelösten und im Heidenthum unlösbaren Gegensatz zwischen 
wenigen überreichen Besitzern und der hoffnungslos besitzlosen 
Masse ging das römische Reich zu Grunde. Auch bei uns be 
reitet sich, falls nicht bald Abhilfe geschieht, Aehnliches vor und 
bereits ist der Bauer in die Schuldknechtschaft der Geldmächte 
gerathen. 
*) Vielfach besteht die Ansicht, in jener Zeit habe das 
Recht der Erstgeburt bestanden und der bäuerliche Grundbesitz 
sei stets zusammengehalten worden. Das ist nicht richtig. Im 
Gegentheil wurde bei den alten Deutschen der väterliche 
Grundbesitz gleichmäßig unter die Söhne ge 
theilt. Ein Gesetz bestand in der Frühzeit nicht, wohl aber
	        
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