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25 Jahren und noch später waren die Steuern und
Lasten gering, die Productionskosten niedrig, die
Preise der Producte annehmbar; jetzt ist alles um
gekehrt, niedrige Preise und hohe Gestehungskosten.
So ist der Grundbesitz tief verschuldet und im größten
Theil unseres Vaterlandes zu einem „walzenden"
geworden, wie der volkswirthschaftliche Ausdruck
lautet. Das will sagen: Der Grundbesitz ist im
Rollen begriffen, der Bauer ist nicht mehr mit seiner
Scholle verwachsen, der Besitz ist durch die Ver
schuldung vom Werth getrennt und die Existenz des
Bauernstandes in die Luft gehängt.
Wir dürfen dieses Capitel nicht schließen ohne
zugleich ein ernstes Wort darüber zu reden, daß der
Landwirth und Bauer auch vielfach mit
schuldig ist an seinem Rückgang. Auch er
hat sich nicht immer und überall von der modernen
materialistischen Zeitströmung abgeschlossen, sondern
wurde vielfach von ihr angesteckt, in Genußsucht und
Leichtsinn hineingezogen, die ihm dann verderblich ge
worden sind. In der heutigen Zeit, wo der Bauer
so genau rechnen muß, sind ihm Sparsamkeit und
Nüchternheit doppelt nothwendig. Früher als er noch
besser gestellt war, war der deutsche Bauer ein Muster
von Einfachheit, Fleiß und Sparsamkeit. Das ist jetzt
vielfach anders geworden. Der „Culturkampf" und
seine Urheber haben haben auch diesen Verlust unserer
sittlichen Kraft auf dem Gewissen. In katholischen
Gegenden ist die Lage Dank der Centrumspartei und
dem starken Einfluß der Kirche noch etwas besser
wie in protestantischen oder gemischten Gegenden, aber
sehr groß ist der Unterschied nicht. Allenthalben hat
der moderne Abfall vom Christenthum, welcher das
Wesen des „Culturkampfes“ bildet, mehr oder weniger
große Verwüstungen angerichtet, denn überall hin und
selbst in das solide Bauwerk unseres Bauernstandes
ist der Geist gedrungen, der die harte Arbeit ver
achten, dagegen die leiblichen Genüsse hochhalten lehrt.
Der Bauer hat sich vielfach dem Wirthshausleben,
dem Trunk und Spiel ergeben, Hoffart und Kleider¬