Full text: ¬Die Agrarfrage der Gegenwart (1)

isde 
äußerste Noth ihnen die Gemeinsamkeit ihrer wirth 
schaftlichen Interessen eröffnet, dann braucht nur 
rechtzeitig ein agrarischer Agitator, ein zweiter 
Gracchus zu erstehen und die Gefahr einer agrar 
communistischen Erhebung wird von Gau zu Gau 
fliegen, weil der Bauer in seinem dumpfen Drang 
nach Erlösung denkt: Sind wir doch einmal Leib 
eigene des Wucherers und drücken uns die öffentlichen 
Lasten und Dienste in die Verarmung hinab, so 
wollen wir wenigstens für uns selbst frohnen und 
daher soll Grund und Boden gemeinsam sein!" 
Dies sind die Klagen und Befürchtungen der 
Landwirthschaft. Prüfen wir jetzt ihre Berechtigung. 
Daß die Lasten der Bevölkerung im 
deutschen Reich, in Oesterreich, Frankreich u. s. w. 
in den letzten Jahren riesig angewachsen 
sind, kann von Niemand bestritten werden. Sowohl 
die Staatssteuern sind gestiegen als ganz besonders 
die Lasten, welche die unteren Verbände, Gemeinde, 
Bezirk, Kreis und Provinz ihren Angehörigen auf 
bürden. Um ein klares Bild von der Besteuerung 
der Bevölkerung durch das öffentliche Leben zu er 
halten, genügt der Blick auf die Staatsbudgets schon 
längst nicht mehr, man muß die anderen Budgets, 
die früher kaum nennenswerth waren, dazu stellen 
und dann ergibt sich, daß sie die Staatsleistungen 
um das Zwei= bis Dreifache und oft noch mehr 
**) 
übertreffen. 
*) Auch der uckermärkische Bauer Christof Krüger schreibt: 
„Die Noth des Bauernstandes treibt denselben unabweisbar 
zum Kampf, sei es auf ordnungsmäßigem Wege oder sei es 
in Verbindung mit der Socialdemokratie. ... 
Die Mißstände 
treiben den Bauernstand dazu an, mit den Socialdemokraten 
gemeinsame Sache zu machen.“ 
**) Beispielsweise ist die Staats=Grundsteuer in 
Württemberg von 1863/64 bis 1876 77 um 31 % er 
höht worden. In demselben Verhältniß sind die Kosten des 
Gemeinde=Haushalts und der Verwaltungsbezirke gewachsen, so 
z. B. die Kreisumlagen von Oberbayern, die 
1863 noch 11 % betrugen, im Jahre 1878 auf 40 %. Die 
Kreisumlage von Unterfranken ist von 5 % im Jahre 1850 
auf 24 % im Jahre 1881, die Budgetsumme in derselben Zeit
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.

powered by Goobi viewer