Full text: ¬Die Agrarfrage der Gegenwart (1)

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und schlechtem Lateinisch, so daß das Volk vollends 
und Rechtsleben entfremdet 
seinem Verwaltungs 
wurde.* 
Die Einführung dieser besonderen Ju 
ristensprache hatte einen ganz bestimmten Zweck: 
Sie diente nämlich als Mittel, um die Herr 
schaft der römischen Juristen über das 
deutsche Volk zu befestigen. Das deutsche 
Recht war gewaltsam verdrängt, der Bürger und 
Bauer durch die neue Classe der Rechtsgelehrten von 
der Verwaltung seiner wichtigsten Angelegenheiten 
entfernt und von der Rechtsprechung ausgeschlossen, 
Verwaltung und Rechtsprechung wurde noch dazu in 
einer dem Volke unverständlichen Sprache geführt, so 
daß dieses die Entscheidungen seiner Beamten gar 
nicht mehr prüfen konnte und willenlos in deren 
Hände gegeben war. Materie, Methode und Sprache 
seiner Verwaltung und seiner Gerichte war ihm 
fremd, die neue Juristenclasse konnte daher mit ihm 
machen, was sie wollte und das Volk beliebig scheeren. 
Das Recht, das sich nun mit der Fürstenmacht verbunden 
hatte, war zu einer fremden, unheimlichen 
Gewalt geworden, die als Verwaltung oder 
Justiz hoch über dem Volke, seinen Gedanken und 
Interessen thronte und der das Volk steuerpflichtig 
wurde. Jetzt wurden die verschiedenen Landrechte 
gefertigt mit ihrem Rothwälsch, das das Volk nicht 
verstand, jetzt begann eine Sündfluth von proceß 
süchtigen Advocaten, von gelehrten Sophisten und 
Rabulisten, von ränkevollen Schreibern, von „Rechts 
biegern, Beutelschneidern und Blutsaugern", wie diese 
Juristen schon 1493 genannt wurden. Mit tiefem 
Ingrimm ertrug das Volk diese Zustände, die ganz 
*) Z. B. hat das böhmische Steuerwesen seit jener Zeit 
ein Urbarial=Einkommen und eine Fictitialsteuer; es unter 
scheidet zwischen Dominical- und Rustical=Besitz. Wie sollte 
das Volk sein Steuerwesen verstehen, das mit solchen Aus 
drücken verunziert war? Von solcher bureaukratischer Aus 
drucksweise, verbunden mit mandarinenmäßig verzopfter 
Hierarchie ließen sich Hunderte von Beispielen anführen.
	        
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