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Kloster, ein Stift, oder eine Stadt (auch diese, be
sonders die Reichsstädte, hatten damals großen Grund
besitz). Diese Art des Grundeigenthums hatte sich
aus den schon erwähnten Ursachen aus der ehemaligen
vollen Freiheit und Hörigkeit herausgebildet. Dieser
halbfreie Bauernstand besaß damals die große Mehr
zahl der großen, mittleren und kleinen Bauerngüter.
Die Armen pachteten sich vielfach ein Stück Land,
das der Kirche geschenkt war, zu billigem Preis und
hatten davon bei mühsamer Arbeit sichern Unterhalt.
Große Kirchengüter wurden, wenn man sie nicht in
eigener Verwaltung betrieb, an eine Anzahl Bauern
verpachtet, von welchen Einer als „Träger des Lehens
für die Gesammtheit zu haften hatte. Die Pächter
hatten meist die dritte Garbe abzuliefern indem die
erste als Ersatz für die Bebauungskosten gerechnet
und die beiden übrigen als Reinertrag zwischen Grund
herr und Pächter getheilt wurden. Vielfach gaben
weltliche Grundherren, noch mehr aber die geistlichen,
die Güter einer Familie auf Lebenszeit oder in Erb
pacht gegen bestimmte Dienstleistungen, die theils
persönlich, theils sachlich waren. Viele Bauern waren
einfache Colonen, d. h. der Grundherr überließ ihnen
gegen bestimmte Abgaben ein Gütchen, das entweden
abgesondert war oder mit einem Haupthof zusammen
hing, wobei die Colone in dessen Verband lebte,
und eine Art erblicher Taglöhner aber mit gesicherter
Existenz war, denn er gehörte untrennbar zum Gute,
der Grundherr hatte das Besitz=, er das Nutzungs
eigenthum. Diese Hofhörigen und Colonen bildeten
die Hauptmasse der ländlichen Bevölkerung Deutsch
lands zu Ausgang des Mittelalters. Sie waren
nicht persönlich frei, wie der Edelmann und Grund
herr, aber sie waren auch nicht leibeigen. Es ist
einer der vielen Irrthümer und eines der unzähligen
Vorurtheile über das Mittelalter, wenn man be
hauptet, der Bauer sei damals leibeigen gewesen.
Gerade die Blüthezeit des Mittelalters hat den Bauern
stand aus der Leibeigenschaft befreit. In die Leib
eigenschaft siel der Bauer erst wieder, als die großen