Full text: ¬Die Agrarfrage der Gegenwart (1)

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Verweilen wir zuerst beim letzten Punkt, über 
welchen die Freihändler so großen Lärm schlagen. 
Ein großer Streit hat sich darüber erhoben, wer 
den Zoll bezahlen muß, Deutschland oder das 
Ausland? In ächt deutscher doctrinärer Weise hat 
man sich über diese Frage gestritten als ob es eine 
daß in den zehn Jahren 1846—56 nur 7,5 pCt. der ge 
sammten Getreide=Einfuhr dem Zollsatze von 5 Sgr. unterlagen, 
so daß schon wegen der Ungewißheit des Handelsstandes, ob 
bei mangelhafter Ernte nicht nach Ablauf einiger Monate 
fremdes Getreide und fremdes Mehl zollfrei eingehen würden, 
die preußische Regierung im Jahre 1856 den schon seit Jahren 
von der Mehrzahl der Vereins=Regierungen gestellten Anträgen 
auf Aufhebung oder Ermäßigung des Getreidezolles entgegen 
kam, indem sie diesen Zoll für Weizen und Hülsenfrüchte auf 
2 Sgr., für alles andere Getreide auf ½ Sgr. vom Scheffel 
und für Mühlenfabrikate auf 15 Sgr. vom Ctr. herabsetzte, 
was mit dem 1. Januar 1857 zur Ausführung kam. Gleich 
zeitig traten alle auf die zollfreie Einlassung von Getreide und 
auf die Ermäßigung des Getreidezolles bezüglichen Vorbehalte 
außer Kraft. Mit dem 1. März 1861 wurden dann sämmt 
liche Abgaben von der Waarendurchfuhr aufgehoben. Weil 
nun aber der Zollsatz von 2 Sgr. für Weizen und Hülsen 
früchte, seitdem er auf die Durchfuhr des russischen und 
polnischen Weizens nicht mehr Anwendung fand, seine finanzielle 
Bedeutung verloren hatte und weil die Laudwirthschaft noch 
keines Schutzes bedurfte, so wurde jener Satz für Weizen durch 
den vom 1. Juli 1865 ab geltenden Zolltarif auf den für die 
übrigen Getreidearten bestehenden Satz von 2 Sgr. ermäßigt, 
Dieser Satz kam indessen nicht zur Anwendung, denn durch den 
Zoll= und Handelsvertrag mit Oesterreich vom 11. April 1865 
war die in dem Vertrage von 1853 vereinbarte gegenseitige 
Zollbefreiung des Getreides aufrecht erhalten, wurde generalisirt 
und damit kam vom 1. Juli 1865 ab der Getreidezoll 
überhaupt in Wegfall. 
Der Vergleichung halber sei hier sogleich bemerkt, daß 
Frankreich 60 Pf. per Ctr. Getreide und Mehl an Zoll 
und 20 Pf. statist. Gebühr erhebt = 8—9 pCt. vom Werth. 
Die Schweiz erhebt 15 Cent. pr. Ctr. beim Getreide, 50 Cent. 
pr. Ctr. beim Mehl. Die Vereinigten Staaten Nord 
amerikas, obwohl Getreide ausführend, erheben 10—24 pCt. 
des Werthes der Einfuhr, nemlich für Weizen pro Scheffel 
20 Cts., Weizenmehl 20 pCt. vom Werth, Roggen pro Scheffel 
15 Cts., Roggenmehl 10 pCt vom Werth, Gerste pro Scheffel 
15 Cts., Graupen pro Pfund 1 Ct., Hafer pro Scheffel 10 Ets. 
Die amerikanischen Getreide- und Mehlzölle sind danach durch 
schnittlich noch einmal so hoch als die unsrigen.
	        
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