Full text: ¬Die Vererbung des ländlichen Grundbesitzes im Königreich Preussen (9)

IX. Provinz Brandenburg. 
Abgesehen von der kurzen Zeit im 15. Jahrhundert, wo Hans von 
Polenz und seine Söhne die oberste Gewalt besaßen, hat die Niederlausitz 
niemals einen eigenen Landesherrn gehabt. So und infolge des häufigen 
Wechsels in der Landesherrschaft konnte es kommen, daß die Macht der 
Stände stark anwuchs und sich hier ein ständischer Partikularismus in ent 
wickelter Form ausbildete. Die Niederlausitz war schon früh ein selbständiges 
Territorium. Zu der Krone Böhmen stand sie im Verhältnis der Personal 
union, und die gleiche, lose Beziehung verband sie nach 1635 mit dem Kur 
fürstentum Sachsen. Ihre Selbständigkeit verlor sie erst nach der Ein 
verleibung in Preußen. Auch mit der Oberlausitz vereinigte sie kein festeres 
Band; beide bildeten gesonderte, für sich bestehende Landeskörper.1) 
Seit Karl IV. führte als Vertreter des Landesherrn ein Landvogt das 
Regiment. Er mußte ein Eingeborener von Adel und von den Ständen 
präsentiert sein. Die kollegialische Oberamtsregierung, die seit 1665 den 
Landvogt ersetzte, wurde ebenfalls von den Ständen präsentiert. Aus alle 
dem erklärt es sich, daß die oberste Landesregierung mehr die Interessen 
der Stände als des Landesherrn zu vertreten geneigt war.2) 
Die Stände herrschten in fast unumschränkter Machtvollkommenheit. 
Anfangs durften sie sich nur nach landesherrlicher Berufung versammeln, 
bald aber beauspruchten sie das Recht — und sie erlangten es im Jahre 
1637 — auch „willkürlich“ zusammenzutreten. 3) In den Ständen selber 
dominierte der Adel. Zwar waren auch die vier Immediatstädte des Landes *) 
vertreten — sie bildeten im Landtage die dritte Curie — aber neben dem 
Adel, der die beiden ersten Curien allein inne hatte, vermochten sie nicht 
aufzukommen. — Dieses Übergewicht des Adels zugleich mit der politischen 
Machtfülle der Stände konnte nicht ohne Einfluß auf die Entwicklung der 
Agrarverfassung bleiben. 
Als im 10. Jahrhundert die Niederlausitz von den Deutschen in Besitz 
genommen wurde, siedelten sich nicht gleich deutsche Bauern an. Deutsche 
Ritter waren es, die zuerst ihre Hand auf das Land legten, indes Ritter 
bäuerlicher Art, kleine Freie und Ministerialen, Angehörige des west 
deutschen Bauernadels und des Hof- und Wirtschaftpersonals des großen 
Adels und des Königs, milites agrarii, wie sie Widukind so treffend be 
zeichnet. Sie erhielten ein kleines Lehen von 3—6 Hufen und setzten sich 
über die unfrei gewordene sorbische Bevölkerung, die ihnen zinsen und 
*) Als 1656 der Kurfürst einen Oberlausitzer in der Niederlausitz als Landeshauptmann 
bestellte, wurde gegen die Berufung dieses Ausländers dringlich protestiert. 
2) Mit der Verwaltung der landesherrlichen Regalien und Einkünfte wurde daher schon 
seit dem 16. Jahrhundert ein Landeshauptmann betraut, bei dessen Ernennung die Stände 
nicht mitzusprechen hatten und der Landesherr lediglich verpflichtet war, einen Eingeborenen 
von Adel zu berufen. 
3) Vgl. GRossE, Verfassung und öffentl. Recht i. d. Niederlausitz, S. 37 ff; 45 ff; 52. 
*) Luckau, Guben, Lübben, Kalau.
	        
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