IX. Provinz Brandenburg.
Der Adel, der in diesen Gegenden von dem Markgrafen angesiedelt
wurde, bestand nicht etwa aus großen Herren, wodurch die markgräfliche
Gewalt nur beschränkt worden wäre, sondern aus kleinen Rittern des
Ministerialenstandes. Ihm entstammte fast der gesamte Adel der deutschen
Marken. *) Slavischen Adel scheint es in der Mittelmark fast gar nicht ge
geben zu haben; er mochte schon vor der Okkupation von den slavischen
Dynasten unterdrückt und in den zahlreichen Fehden aufgerieben worden
sein. Überhaupt war gerade die Mittelmark mit ihren tiefen Wäldern, weiten
Mooren und wasserreichen Seen und Flüssen sehr dünn bevölkert. Die
deutschen Bauern aber, die angesiedelt wurden und dem Lande Kulturboden
abgewannen, waren hochberechtigte Leute, die vermutlich wenn auch nicht
ihrer sozialen Stellung, so doch ihrem Stande nach den kleinen ritterlichen
Ministerialen nicht viel nachgaben. Sie konnten diesen daher nicht ohne
weiteres herrschaftlich unterstellt werden, sondern sie wurden Nachbarn der
Ritter, und deren Grundstücke lagen mit den ihren im Gemenge. Und wie
die Markgrafen bestrebt waren, den Adel in straffer Abhängigkeit zu halten,
so unterstanden die neuen Bauerngemeinden grundsätzlich ihrer Jurisdiktion,
zahlten ihnen den Grundzins, zehnteten und steuerten an sie.* 2)
Ganz anders in der Uckermark und Neumark. Diese Landschaften
kamen erst an Brandenburg, als sie schon gutteils germanisiert waren.
Und zwar hatte sich hier die Germanisierung unter der Herrschaft slavischer
Fürsten vollzogen. Jenes politische Motiv, das in der Mittelmark so starken
Einfluß ausgeübt hatte, fehlte hier also, und vorherrschend wirtschaftliche
Gründe gaben die Veranlassung zur Kolonisation. Zunächst werden es wohl
die Klöster gewesen sein, die sich zu ihrem Unterhalte Land rodeten und
späterhin auf dem ihnen geschenkten Gebiete auch deutsche Bauern an
siedelten. Die für slavische Verhältnisse hohen Erträge, die die deutschen
Bauerndörfer abwarfen, spornten zur Nachahmung an. Auch der slavische
Landesherr begann auf deutsche Weise zu kolonisieren. Ebenso der Adel.
Der aber nahm hier eine wesentlich andere Stellung ein als wie etwa in der
Mittelmark. Zwar entstammte auch er vorwiegend dem deutschen Ministerialen
stande. Die feinere deutsche Kultur und höfische Kunst liebend, umgaben
sich die slavischen Fürsten gern mit deutschen Rittern, und zwar taten sie
das in einem solchen Umfange, daß der slavische Adel sehr bald aufgesogen
oder germanisiert wurde. Es leuchtet ein, daß die Position eines solchen
deutschen Ministerialen bei den slavischen Fürsten eine andere sein mußte,
als wie bei den deutschen Askaniern. Hier war er schlechtweg Dienstmann
ohne Berechtigung zu höhern Prätentionen, dort aber der Vertreter einer
gesuchten höheren und fremden Kultur. Als solcher stand er in hohem
Ansehen, und dem entsprach seine Stellung. Sie war sozial und rechtlich
ebenso günstig, wirtschaftlich vielleicht noch vorteilhafter, als die des freien
Vasallen westlich der Elbe. „Die wichtigsten militärischen und Hof-, später
*) SOMMERFELD, Germanisierung S. 156.
2) Vgl. KEIL, Landgemeinde in den östl. Prov. Preußens. S. 18.