Die Grundbesitzverteilung und ihre historischen Grundlagen.
Wenn es nun auch auffallend schnell und gründlich gelang, Branden
burg zu germanisieren, so darf doch der Einfluß, den die vormals slavische
Besiedelung auf die Gestaltung der Agrargeschichte und -verfassung hatte,
nicht unterschätzt werden. Denn nichts wäre irriger als etwa die Auffassung,
daß die Slaven mit Stumpf und Stil ausgerottet worden wären. Selbst in
Mecklenburg, wo Heinrich der Löwe eine brutale Ausrottungspolitik führte,
gelang es nicht die Slaven zu vertilgen. Den Askaniern hätte eine solche
Absicht auch völlig ferngelegen. Albrecht der Bär gewann die Hauptteile seiner
ostelbischen Mark auf friedlichem Wege als Patengeschenk und Erbschaft
des wendischen Fürsten Pribislaw. Das ist bezeichnend. Er wollte seine
Erwerbungen nicht allein auf Waffengewalt gründen. Und ähnlich handelten
seine Nachkommen. Auf ihrer Verschwägerung mit slavischen Fürsten
häusern beruhten wesentlich die Erfolge ihrer Hauspolitik. Ein nationaler
Haß gegen die Slaven konnte daher wohl kaum bei ihnen aufkommen.
Sie zu vertreiben, gab es keinen Grund, wohl aber ein wirtschaftliches Motiv
sie zurückzudrängen. Die Slaven waren ein unnahrhaftig Volk, und ihre
Zehnten waren mager. Sie mußten sich entweder der deutschen Wirtschafts
ordnung anpassen oder deutschen Bauern Platz machen.*)
In welcher Rechtsverfassung lebten die slavischen Bewohner der
brandenburgischen Gebiete?
Als die Askanier die Marken erwarben, stand dort die slavische Fürsten
gewalt auf der Höhe ihrer Macht. Supane, Volksälteste, deren Spuren sich
in den Sorbengebieten bis auf die Neuzeit erhalten haben, fand Albrecht
der Bär bei den Liutizen nicht mehr vor. Es herrschten hier Häuptlinge
mit fast unumschränkter und erblicher Gewalt. Pribislaw von Brandenburg
konnte sein Land Albrecht dem Bären vermachen, also wie mit Privat
eigentum darüber verfügen. Und ähnlich war es in den übrigen Gebieten,
die alle erst von den Markgrafen zu einer Zeit erworben wurden, als den
slavischen Fürsten ein unmittelbares Eigentumsrecht fast am ganzen Landes
areal zustand.* 2) Auch der slavische Adel, obgleich er nicht im Lehns
verhältnisse stand, war dem Landesherrn offenbar strenger unterworfen, als
es in Deutschland üblich war.
Der gemeine wendische Bauer scheint nicht Herr seines Feldes gewesen
zu sein. Er war aber auch nicht höriger Erbzinsmann, noch durchweg
Landarbeiter ohne eigene Wirtschaft. Änders wie in Deutschland waren
Hof und Hufe von einander getrennt. An dem Hofe mochte er wohl ein
festes Besitzrecht haben, nicht aber an dem Feldlande, das ihm jederzeit
Vgl. hierfür und auch für das
*) SERING (Heft VII. Schleswig-Holstein) S. 247.
folgende den Aufsatz von GUTTMANN, a. a. O., RiEDEL, Die Mark Brandenburg im Jahre 1250;
RAUMER, Älteste Gesch. und Verfass. Brandenburgs; v. SOMMERFELD, Geschichte der Germani
sierung usw.; v. SOMMERFELD, Beitr. zur Verfassungs- und Ständegesch. der Mark Branden
burg; voN NIESSEN, Gesch. der Neumark; MEITzeN u. GROSSMANN, Boden und landwirtschaftl.
Verhältnisse des preuß. Staates Bd. VI, Berlin 1901; FUCHS, Der Untergang des Bauern
standes usw. (s. das Verzeichnis der benutzten Literatur).
2) GUTTMANN, a. a. O. S. 40. 100; v. SOMMERFELD, Beitr. S. 19.