Full text: ¬Der deutsche Civilprozess (3)

Zwangsvollstreckung z. Erwirkung d. Herausgabe v. Sachen etc. §. 770. 311 
der weiteren Verhandlung, die sich vielfach in grosser Unklarheit be 
wegte, gerieth man aber zugleich auf den Gegensatz vertretbarer 
und nicht vertretbarer Sachen als Gegenstand der Lieferung (Prot. 
S. 572—581) und gelangte im Wesentlichen zu dem jetzt vorliegenden 
Resultat. Dann wurde die Materie noch einmal durchgesprochen 
(Prot. S. 604. 606) und die gegenwärtige Fassung gebilligt. 
I. Die Bestimmung des §. 770 verdankt ihren Ursprung unstreitig 
dem sehr natürlichen Gedanken, dass die Verpflichtung zum Liefern 
von Sachen, die der Schuldner bei der Begründung der Verbindlich 
keit selber noch nicht hat, sondern, um sie dem Gläubiger zu über 
geben, erst anschaffen oder verfertigen muss'), und die Herausgabe 
von Sachen, die er hat, zweierlei ist. Allein, wie in §. 769, so auch 
in S. 770 ist nicht das entscheidende Moment, ob der Schuldner zur 
Zeit der Obligationsbegründung die Sachen bereits hatte oder nicht 
und ob er darnach zu einer Herausgabe, oder aber zu einer Liefe 
rung sich verpflichtete. Vielmehr liegt beiden Paragraphen die Vor 
aussetzung zu Grunde, dass der Schuldner zur Zeit der Zwangsvoll 
streckung die Sachen hat. Ist das nicht der Fall, so ist der Gläubiger 
auf die Geltendmachung des Interesses nach §. 778 beschränkt. Als 
eine Handlung, die nach §. 773 erzwungen werden könnte, hat man 
das Liefernmüssen nicht betrachten mögen. Hat der Schuldner die 
Sachen, so macht es für §. 769 keinen Unterschied, dass die Heraus 
gabe und folglich deren Erzwingung erst durch Anschaffung der be 
treffenden Sachen möglich geworden ist; und umgekehrt ändert sich 
nichts an der Vollstreckung einer Lieferung nach §. 770, wenn die zu 
liefernden Sachen von dem Schuldner nicht erst anzuschaffen, sondern 
von Anfang an bei ihm vorhanden waren. Wollte man einen Unter 
schied machen, so blieb, da die Begriffe des Herausgebens und Lie 
ferns unmöglich mit juristischer Schärfe auseinanderzuhalten sind, 
nichts übrig, als ihn in der Beschaffenheit des Herausgabe 
und Lieferungsgegenstandes zu suchen. Geschah das, dann 
erwies sich aber auch der Ausdruck „liefern“ zu eng. Es war ange 
messener von „leisten“ zu reden; ein Ausdruck, der in seiner All 
gemeinheit 2) alles Bringen, Tradiren, Liefern und nicht minder auch 
Herausgeben umfasst. Unter §. 770 fällt mithin auch das Heraus 
geben, sofern es sich nicht auf einen Gegenstand bezieht, auf den die 
in §. 769 enthaltene Bezeichnung passt. Andererseits gehört unter §. 770 
selbst nicht das Leisten oder Liefern, wenn es einen Gegenstand von 
1) Vgl. dazu §. 769 Not. 7. 
2) S. über das praestare nach röm. Recht Windscheid §. 252 Not. 4.
	        
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