§. 190. Verhältniß mehrerer Gläubiger zu einem fremden Vermögen. 213
gleichsam das pulsirende Blut der Menschheit bilden und die Er
nährung und das Wachsthum der Völkerorganismen besorgen.
Der Gedanke des gemeinen Rechts, daß die Forderung eine
persönliche Verbindlichkeit des obligatorisch Verpflichteten sei und
die Execution nur ein Zwangsmittel, denselben zur Erfüllung seiner
Verbindlichkeiten anzuhalten, ein Gesichtspunkt, der auch namentlich
im Personalarrest seinen Ausdruck fand, ist heutzutage gänzlich
antiquirt. Die Person hat heutzutage nichts mehr mit ihren
Schulden zu thun, sondern nur der Träger eines Vermögens;
daher die allgemeine Tendenz, alle Execution gegen die Person als
solche aufzuheben und alle Execution auf Vermögensexecution zu
beschränken. Das Vermögen schuldet heute, und das Individuum
nur so weit, als es Träger des Vermögens ist. Dadurch hat sich
das Executionsrecht aus einem Zwangsrechte gegen die Person zu
einem Rechte an einem fremden Vermögen umgewandelt. Das
Executionsrecht ist kein processualisches Hülfsmittel mehr, sondern
ein Privatrecht nach Art des Pfandrechts. So ist der alte deutsche
Gedanke, welcher die Sachen haften ließ und nicht die Personen,
mit der Römischen Vermögensidee verschmolzen, der fruchtbare
Grund für eine vollständig neue Struktur unseres ganzen Rechts
lebens geworden, welche uns in Bälde zwingen wird, mit der
ganzen Römischen Terminologie zu brechen und an die Stelle der
jetzt herrschenden dogmatischen Deutelei in alte Formen hinein
eine ehrliche Neuschaffung juristischer Technik vorzunehmen.
§. 190.
Verhältniß mehrerer Gläubiger zu einem fremden Vermögen.
So lange ein Vermögen solvent ist, d. h. so lange die Activa
die Forderungen decken, für welche dasselbe Executionsobjekt ist,
kann der Gläubiger durch gerichtliche Klage und die an die Ver
urtheilung sich knüpfende Execution stets sich den vollen wirtschaft
lichen Genuß des Gutes verschaffen, dessen Leistung Inhalt seiner
Forderung ist. Deckt aber das Activum die Schulden des Ver
mögens nicht mehr, so tritt eine s. g. präferenzmäßige Vertheilung
des Vermögens ein, d. h. die Gläubiger werden für ihre For
derungen nach einer bestimmten Rangordnung, nach einer Prioritäts
ordnung befriedigt. Eine solche präferenzmäßige Vertheilung kommt
nach Bremischem Rechte nicht blos im Concursverfahren vor,