Full text: ¬Das gemeine deutsche und hansestadtbremische universelle Vermögensrecht auf Grundlage der modernen Volkswirtschaft (2,1)

§. 103. Verletzung von Verkehrsrechten. 
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gleich die Gränze der leichten Culpa nach Seite der groben Culpa 
hin festgestellt. Die Gränze der leichten Culpa gegen den Zufall 
wird vom Römischen Recht so bezeichnet, daß das Außerachtlassen 
der Sorgfalt eines aufmerksamen Hausvaters oder, wie wir sagen 
würden, eines soliden und ordentlichen Bürgers eine leichte Culpa 
begründet. Es liegt schon in dieser vagen Definition, daß das Er 
messen des Richters hier einen ziemlich weiten Spielraum hat, wel 
cher ihm gestattet, stets auch die thatsächlichen Verhältnisse des ein 
zelnen Falles mit in Rechnung zu ziehen*). 
In einigen Rechtsverhältnissen läßt das Römische Recht den 
Schuldner zwar auch für leichte Verschuldung haften, verlangt jedoch 
nur von ihm die Sorgfalt, die er in eignen Angelegenheiten an 
zuwenden pflegt (s. g. diligentia in concreto). Es handelt sich 
dabei nur um einen Grad der leichten Culpa. Der Schuldner 
kann sich daher nie damit entschuldigen, daß er in eigenen Ange 
legenheiten sich grobe Fahrlässigkeiten zu Schulden kommen lasse und 
andererseits kann nie, wenn er eine derartige Sorgfalt zu prästiren 
hat, von ihm verlangt werden, daß er mehr als die Sorgfalt eines 
ordentlichen Hausvaters aufwende, auch wenn er in eigenen Ange 
legenheiten ungewöhnlich genau wäre. 
Im Allgemeinen nun steht jeder Schuldner für Dolus und 
grobe Culpa immer ein, so sehr, daß ihm sogar die Haftung dafür 
zum Voraus nicht erlassen werden kann 2). Im Uebrigen läßt sich 
nur sagen, daß der Regel nach, übrigens nicht ausnahmslos, der 
jenige, welcher keinerlei Vortheil aus dem Rechtsgeschäft zieht, für 
leichte Culpa nicht einsteht, während derjenige, welcher allein Vortheil 
aus dem Geschäfte zieht, regelmäßig für leichte Culpa haftet3) und 
daß das Hinzudrängen zu einem Geschäfte als stillschweigende Ueber 
nahme der Haftung auch für leichte Culpa gilt *). 
1) Vgl. O. G. E. i. S. Quentell w. Seekamp u. Tewes v. 4. Juli 1859. 
2) l. 23 D. de R. J. l. 27 §. 3. 4 D. pact. (2, 14). l. 17 pr. D. 
commod. (13, 6). l. 1 §. 7 D. dep. (16, 3). l. 18 §. 3 D. de donat. 
(39, 5). 1. ult. §. 3 D. de cond. indeb. (12, 6). O.G. E. i. S. Mußkop 
w. Meyer v. 8. Febr. 1864. Einer nachträglichen Erlassung der Folgen steht 
übrigens nichts im Wege. l. 27 §. 3. 4 D. de pact. (2, 14). 
3) l. 108 §. 12 D. de leg. I. 1. 5 §. 2. l. 18 pr. D. comm. (16, 3). 
l. 17 §. 2 de praescr. verb. (19, 5). 
4) 1. 1 §. 35 D. dep. (16, 3). l. 53 §. 3 D. de furt. (47, 2).
	        
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