VI. Provinz Hannover.
bringt, wird in den meisten Fällen dazu verwandt, um Schulden, namentlich
die Abfindungsforderungen der Geschwister des Ehemannes abzutragen, so
dann auch, um notwendige Meliorationen und Gebäude-Reparaturen vorzu
nehmen; in den seltensten Fällen bleibt die Mitgift der Frau unberührt er
halten.
Soll nach dem Tode des Ehemannes das, wie angedeutet, verwandte
Vermögen der Frau oder ihren Erben zurückgegeben werden, so gerät der
Witwer oder nach seinem Tode der Anerbe in grosse Verlegenheit und
Bedrängnis. Dem hatten die im Meierrechte zum Ausdruck gelangten bäuer
lichen Verhältnisse Rechnung getragen.
Die Anschauung des früheren Meierrechts, dass das Eingebrachte der
Frau Substanz des Hofvermögens wird und dass die Erbteile der jüngeren
Kinder aus diesem vollständig geeinten Vermögen der Eltern erfolgen, dass
ferner die Ehefrau kein Rückforderungsrecht, sondern nur das Recht auf
einen Altenteil habe, ist in den wirtschaftlichen Verhältnissen des Bauern
standes so tief begründet, dafs man in beschränkter Weise subsidiär zu
diesen Grundsätzen zurückkehren sollte, für den Fall, dass die Ehegatten
andere Bestimmungen nicht rechtsgiltig getroffen haben.“
Das neue bürgerliche Gesetzbuch nimmt auf die besonderen Verhält
nisse der bäuerlichen Bevölkerung der Provinz Hannover keine Rücksicht.
Indes bringt dasselbe für das Gebiet des Dotalrechts insofern einen
erheblichen Fortschritt, als an Stelle des gemeinen Dotalrechts die Ver
waltungsgemeinschaft tritt und dem überlebenden Ehegatten ein gesetzliches
Erbrecht an dem Nachlafs des verstorbenen zugesichert wird. (§§ 1931 und
1932.) Dieses Erbrecht ergänzt eine empfindliche Lücke des bestehenden
Rechts.1)
In dem Gebiet der ehelichen Gütergemeinschaft verschlechtert sich da
gegen die Stellung des überlebenden Ehegatten nicht unerheblich. Der gegen
wärtige Rechtszustand darf jedoch vertragsmässig aufrecht erhalten werden;
nur ist es nicht gestattet, zur Bestimmung des Güterstandes lediglich auf
die älteren Gesetze zu verweisen (§ 1433).
§ 10. Der Grundsatz der Einzelerbfolge.
Der Schwerpunkt des Erbrechts und der Erbgewohnheiten liegt, wie
bereits angedeutet, nicht in der Regelung der Erbfolge der Ehegatten, sondern
derjenigen der Deszendenten.
Auch hier macht sich ein Widerspruch zwischen Sitte und Recht be
merkbar.
Das gemeine Recht sowie das preufsische Landrecht unterscheiden bei
der Vererbung nicht zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen.
Jeder Erbe erhält gleichen Anteil, insbesondere am Grundbesitz.
Insofern begünstigt das Recht die Realteilung des Grundbesitzes im
Erbgang und wirkt, wenn eine solche nicht stattfindet, sondern ein Erbe
) Vgl. oben S. 62.