Die Vererbung des bäuerlichen Grundbesitzes.
Bauern, der Grundherren und des Staates gleichmässig diente, auch Bauern.
Grundherren und Staat bei der Entstehung des Anerbenrechts mitgewirkt
haben. In welchem Masse und in welchem Grade diese Mitwirkung statt
fand, ist in vielen und wichtigen Punkten zweifelhaft.
Unverkennbar macht sich jedoch der Einflufs der Staatsthätigkeit schon
frühzeitig stark bemerkbar. Dies zeigt sich besonders bei der Entwickelung
des Anerbenrechts an Meiergütern.
Zunächst wurde das Meierrecht durch direkte und indirekte Einwirkung
des Staates aus einem unerblichen Besitzrecht zu einem erblichen umgestaltet.
Sodann suchte der Staat schon frühzeitig den Gefahren der Zersplitterung und
Überlastung entgegenzutreten. Um der Zersplitterung vorzubeugen, wurde
das Bauerngut für geschlossen erklärt. Um der Überlastung vorzubeugen,
wurden die Grundsätze für die Berechnung der Abfindungen durch Gesetz,
und zwar im Interesse des Anerben festgelegt, in verschiedenen Landesteilen
die Altenteile nach Höhe und Dauer beschränkt. Endlich wurde, wenigstens
in einem Territorium, das ganze Meierverhältnis gesetzlich geregelt.
In der Geschichte des Anerbenrechts an den Gütern der Eigenbehörigen
tritt die Einwirkung des Staates erst in späterer Zeit stärker hervor, früher
war dieselbe wohl entbehrlich, weil die Eigenbehörigkeit mehr noch ein
persönliches Abhängigkeitsverhältnis darstellte. Im 18. Jahrhundert aber
findet fast in allen Territorien eine gesetzliche Regelung des gesamten An
erbenrechts statt; besondere Berücksichtigung haben dabei auch hier die
Bestimmungen über die Altenteile und Abfindungen erfahren.
Wo immer jedoch der Staat in die Entwickelung eingreift, steht keineswegs
allein das Interesse seiner Finanzen oder das Interesse der Grundherren im
Vordergrund. Gewils haben derartige Interessen oft bei dem Erlass der
Erbrechtsgesetze mitgewirkt, aber sie sind nicht ausschliefslich massgebend.
Vielmehr beherrscht die gesamte Gesetzgebung, wie die oben mitgeteilten
Auszüge aus den Gesetzen zeigen, der Gedanke, die Höfe in ihrem Be
stände zu erhalten ’): die Ausbildung des Anerbenrechts, wie des gesamten
bäuerlichen Sonderrechts, ist ein Teil der Sozialpolitik jener Zeit.
§ 6. Die Vererbung von grundherrnfreien und anderen Bauerngütern.
Neben den Gütern der Meier und Eigenbehörigen gab es vor der
Aufhebung des grundherrlichen Verbandes eine allerdings verhältnismässig nur
geringe Anzahl von Bauerngütern, welche ganz oder teilweise zu Eigentum
oder zu einem anderen Besitzrecht als demjenigen der Meier und Eigen
behörigen besessen wurden. Diese Güter waren teils von jeher grundherrn
frei oder seit Mitte des 18. Jahrhunderts durch Freikäufe grundherrnfrei
geworden,* 2) — die sogenannten freien oder Erbgüter — teils einer Grund
herrschaft unterworfen. Zu den letzteren gehörten namentlich die Erbzins
’) BENING, Die Bauernhöfe und das Verfügungsrecht darüber, 1862, S. 1.
2) Vgl. WITTICH S. 411.