Full text: ¬Die Vererbung des ländlichen Grundbesitzes im Königreich Preussen (6)

Die Vererbung des bäuerlichen Grundbesitzes. 
Bauern, der Grundherren und des Staates gleichmässig diente, auch Bauern. 
Grundherren und Staat bei der Entstehung des Anerbenrechts mitgewirkt 
haben. In welchem Masse und in welchem Grade diese Mitwirkung statt 
fand, ist in vielen und wichtigen Punkten zweifelhaft. 
Unverkennbar macht sich jedoch der Einflufs der Staatsthätigkeit schon 
frühzeitig stark bemerkbar. Dies zeigt sich besonders bei der Entwickelung 
des Anerbenrechts an Meiergütern. 
Zunächst wurde das Meierrecht durch direkte und indirekte Einwirkung 
des Staates aus einem unerblichen Besitzrecht zu einem erblichen umgestaltet. 
Sodann suchte der Staat schon frühzeitig den Gefahren der Zersplitterung und 
Überlastung entgegenzutreten. Um der Zersplitterung vorzubeugen, wurde 
das Bauerngut für geschlossen erklärt. Um der Überlastung vorzubeugen, 
wurden die Grundsätze für die Berechnung der Abfindungen durch Gesetz, 
und zwar im Interesse des Anerben festgelegt, in verschiedenen Landesteilen 
die Altenteile nach Höhe und Dauer beschränkt. Endlich wurde, wenigstens 
in einem Territorium, das ganze Meierverhältnis gesetzlich geregelt. 
In der Geschichte des Anerbenrechts an den Gütern der Eigenbehörigen 
tritt die Einwirkung des Staates erst in späterer Zeit stärker hervor, früher 
war dieselbe wohl entbehrlich, weil die Eigenbehörigkeit mehr noch ein 
persönliches Abhängigkeitsverhältnis darstellte. Im 18. Jahrhundert aber 
findet fast in allen Territorien eine gesetzliche Regelung des gesamten An 
erbenrechts statt; besondere Berücksichtigung haben dabei auch hier die 
Bestimmungen über die Altenteile und Abfindungen erfahren. 
Wo immer jedoch der Staat in die Entwickelung eingreift, steht keineswegs 
allein das Interesse seiner Finanzen oder das Interesse der Grundherren im 
Vordergrund. Gewils haben derartige Interessen oft bei dem Erlass der 
Erbrechtsgesetze mitgewirkt, aber sie sind nicht ausschliefslich massgebend. 
Vielmehr beherrscht die gesamte Gesetzgebung, wie die oben mitgeteilten 
Auszüge aus den Gesetzen zeigen, der Gedanke, die Höfe in ihrem Be 
stände zu erhalten ’): die Ausbildung des Anerbenrechts, wie des gesamten 
bäuerlichen Sonderrechts, ist ein Teil der Sozialpolitik jener Zeit. 
§ 6. Die Vererbung von grundherrnfreien und anderen Bauerngütern. 
Neben den Gütern der Meier und Eigenbehörigen gab es vor der 
Aufhebung des grundherrlichen Verbandes eine allerdings verhältnismässig nur 
geringe Anzahl von Bauerngütern, welche ganz oder teilweise zu Eigentum 
oder zu einem anderen Besitzrecht als demjenigen der Meier und Eigen 
behörigen besessen wurden. Diese Güter waren teils von jeher grundherrn 
frei oder seit Mitte des 18. Jahrhunderts durch Freikäufe grundherrnfrei 
geworden,* 2) — die sogenannten freien oder Erbgüter — teils einer Grund 
herrschaft unterworfen. Zu den letzteren gehörten namentlich die Erbzins 
’) BENING, Die Bauernhöfe und das Verfügungsrecht darüber, 1862, S. 1. 
2) Vgl. WITTICH S. 411.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.

powered by Goobi viewer