Schlussbetrachtungen.
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als gesetzlichen Erbrechts wird man bei Lage der Verhältnisse also auch hier
das Wort reden dürfen.
Ich bin übrigens überzeugt, dafs die Aussöhnung mit der Einführung
des obligatorischen Anerbenrechts, mag man sich auch anfänglich noch so
sehr ablehnend dagegen verhalten, allmählich hier zu Lande um so mehr an
Boden gewinnen wird, als damit eigentlich nichts weiter vorgenommen
werden würde, als die gesetzliche Festlegung einer aus dem Rechtsbewufst
sein hervorgegangenen von alters her geübten thatsächlichen Gewohnheit.“
Ähnlich äufsert sich der Landrat des Kreises Neuhaus.
Für das Gebiet der Anerbensitte läfst sich aus den Berichten im all
gemeinen entnehmen, dass da, wo Anerbenrecht galt, die Abfindungen seit
der Aufhebung desselben höher geworden sind.1
Das A.-G. Hoya stellt aber für seinen Bezirk entschieden in Abrede,
dals sich dieser Umstand bereits gegenwärtig erheblich bemerkbar gemacht
habe. Der Berichterstatter führt aus
„Nach einer von mir im Jahre 1886 aufgestellten Berechnung auf Grund
der damals eben erst angelegten Grundbücher betrug die Schuldenlast des
Bezirks am 1. Januar 1876 die Summe von rund 3470000 M, bis zum
Jahre 1886, also in 10 Jahren, hatte sie sich auf rund 7 350 000 M ver
grössert und in der Zeit bis zum 1. April 1894 sind nach der Übersicht
über die Hypothekenbewegung noch rund 1 500000 M hinzugekommen
Hierbei bemerke ich, dass die letzte Zahl den ganzen Bezirk umfafst, während
die beiden ersten Zahlen die beiden Flecken Hoya und Bücken, sowie das
grölste Dorf im Bezirke, Hoyerhagen, nicht mit umfassen. Rechnet man für
diese 3 Ortschaften nach oberflächlicher Schätzung noch für den 1. Januar
1886 rund 1250000 M hinzu — die Summe ist nach meiner Kenntnis und
Einsicht in die Verhältnisse nicht zu hoch gegriffen — so ergiebt sich für
den 1. Januar 1886 eine Gesamtbelastung von 8 600 000 M, für den 1. April
1894 eine Gesamtbelastung von 10 100000 M, denen am 1. Januar 1876
unter Berücksichtigung der Flecken Hoya und Bücken und des Dorfes
Hoyerhagen und unter Annahme etwa gleicher Vermehrung nur etwa
4100 000 M gegenüber stehen. Das würde eine Vermehrung von 6 000 000 M
in etwa 18 Jahren sein, in Prozenten ausgerechnet rund 150 %.
Die Verteilung der Schulden auf den Stellen nach ihrer Grösse, Voll
und Halbmeier, Köthner, Brinksitzer und Anbauer ist, relativ genommen, im
allgemeinen eine ziemlich gleichmässige, am meisten belastet erscheinen wohl
die mittleren Stellen, — Köthnerstellen —, welche ungefähr eine Durch
schnittsgröfse von 10 ha in der Marsch und 18 ha auf der Geest haben
mögen, wo Heideländereien in grösserem Umfange in Frage kommen. Ab
solut genommen, sind die in der Marsch gelegenen Ortschaften weit höher
belastet, als die auf der Geest belegenen, im Verhältnis zum Reinertrage
steht die Sache aber nahezu umgekehrt.
Fragt man nun nach dem Grunde dieser enormen Schuldenvermehrung
*) Vgl. oben S. 72, auch S. 205/6.