Die Vererbung des bäuerlichen Grundbesitzes.
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oder es wird eins der Kinder direkt zum Haupterben eingesetzt mit der
Verpflichtung zur Alimentation des überlebenden Ehegatten und zur Ab
findung der übrigen Kinder.
Dals der Hofbesitzer den Hof bei Lebzeiten abgiebt, ist nicht sehr häufig.
Geschieht dies, so wird bei grösseren Höfen fast niemals ein Altenteil aus
bedungen, in der Form, wie dies sonst üblich ist, vielmehr wird der Hof.
wenn der Besitzer sich, sei es wegen Altersschwäche oder Krankheit, zurück
ziehen will, demjenigen der Kinder, welches den Hof übernehmen soll, ver
pachtet oder verkauft. Der alte Wirt lebt dann von der Pachtsumme oder
von den Zinsen der Kaufsumme, aufserdem von den Zinsen des sonstigen
Vermögens, welches er regelmässig hinter sich behält. Nach seinem Tode
tritt die gesetzliche Erbfolge ein, falls nicht schon bei der Übergabe Be
stimmung über die Verteilung der Übernahmesumme getroffen ist.
Die Besitzer kleinerer Stellen schliefsen dagegen in der Regel mit
ihrem Nachfolger einen sogenannten Übertragungs- oder Alimentationskontrakt,
welcher im wesentlichen den gleichen Inhalt hat, wie ein Übergabevertrag
mit Vorbehalt des Altenteils.*) Es handelt sich dann aber meist, wie bereits
bemerkt, nicht um selbständige bäuerliche Wirte, sondern um Stellbesitzer,
welche nicht ausschliefslich von der Landwirtschaft leben, sondern nebenher
als Arbeiter, Handwerker und dergl. thätig sind. Daher werden gewöhn
lich keine eigentlichen Altenteile, bezw. Geldrenten, sondern nur lebenslängliche
Wohnung und Verpflegung, sowie ein angemessenes Begräbnis vereinbart.?
Sei es, dass der Hof bei Lebzeiten an den Nachfolger übergeht, sei es,
dals der Übergang auf Grund eines Testaments oder der Vereinbarung der
Miterben stattfindet, eine Zerstückelung des Besitzes tritt nur ausnahms
weise ein.
Am ehesten wohl dann, wenn der Platz zur öffentlichen Versteigerung
kommt. Denn dabei wird er oft zuerst in Parzellen ausgeboten, gewöhnlich
bleibt er aber auch dann geschlossen.
Es kommt auch vor, dass zwei oder mehrere Höfe, die in der Hand
eines Besitzers vereinigt waren, im Erbgang wieder an verschiedene Besitzer
gelangen, auch werden wohl hier und da besonders grosse Plätze zerschlagen,
um für zwei Familien Besitzungen zu schaffen, aber in solchen Fällen
tritt keine eigentliche Zerstückelung des Grundbesitzes ein, 3) und sie sind
nur selten.
Speziell vom A.-G. Berum wird angegeben, es sei in seinem Bezirk
seit dem 1. Januar 1887 nur einmal bei einer Vererbung an Deszendenten
der Grundbesitz geteilt worden. Eine eigentliche Zersplitterung hat indes
auch hierbei nicht stattgefunden. Es haben nämlich von zahlreichen Kindern
zwei den Hauptbesitz gemeinschaftlich behalten, und es sind nur solche Grund
stücke, welche wirtschaftlich ungünstig zum Platzgebäude lagen, getrennt vom
’) Leer, Norden, vgl. oben § 14.
2) Leer, Norden.
3) Vgl. oben S. 66.
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