Full text: ¬Die Vererbung des ländlichen Grundbesitzes im Königreich Preussen (1)

I. Die thatsächliche Erbfolge. C. Gebiet der Realteilung. 
ohne Ausnahme zu gleichen Teilen und zwar meistens derart, dass die schon 
vorhandenen kleinen Parzellen nochmals sämtlich in so viel Teile zer 
schnitten werden als Erbberechtigte vorhanden sind. Grössere Güter sind 
im Kreise nicht vorhanden. Einen Hof von 37 ha, der zu den grössten 
Betrieben des Kreises gehörte, hat der Vater bis auf 5 ha Wald durch 
Testament, kurz vor seinem Tode errichtet, seinen beiden noch unverheirateten 
Söhnen hinterlassen. Die übrigen 6 Kinder oder deren Erben sind aus dem 
vorhandenen Kapitalvermögen und mit der testamentarisch festgestellten 
Summe abgefunden worden, welche die im Besitz gebliebenen Söhne in be 
stimmten Raten zu zahlen verpflichtet worden sind. Im Grundbuch ist jedem 
der beiden Söhne die Hälfte des Hauses und nahezu 16 ha Acker und 
Wiesen zugeschrieben worden, während der Wald als gemeinschaftlicher 
Besitz den Erben ungeteilt verblieben ist. Es ist dieser Hof indessen so 
belegen, dass eine Parzellierung desselben für keinen Erbberechtigten Vorteil 
gehabt hätte.“ (Landrat von Meisenheim.) 
Der Regierungsbezirk Trier weist keinerlei Abweichungen von der 
Vererbungssitte des rheinischen Gebirgslandes auf; nur im Westen kommt 
noch gemeinsame Wirtschaft der Geschwister vor. 
Von den einzelnen Kreisen ist zu bemerken: 
Trüb sieht es im Kreise Prüm aus. Der Landrat teilt als Resultat 
seiner Erkundigungen mit, es habe sich nur bestätigt, was allgemein be 
kannt sei, nämlich „dafs Verfügungen unter Lebenden und von Todes 
wegen, durch die die Intestaterbfolge zu gunsten der Erhaltung eines 
leistungsfähigen Grundbesitzes abgeändert wird, schlechterdings überhaupt 
nicht vorkommen. Bei der ausgeprägt individualistischen, dem Gemein 
sinn in allen Formen und Graden entgegengesetzten Auffassungs- und 
Empfindungsweise der hiesigen bäuerlichen Bevölkerung überwiegt in jedem 
einzelnen Falle die Rücksicht auf die persönlichen Interessen der einzelnen 
Erbanwärter jede andere weitaus. Der hiesige Bauer, bei dem infolge der 
allgemeinen Dürftigkeit und Unzulänglichkeit der Verhältnisse die gewöhn 
liche kleinbäuerliche Kleinlichkeit und eigensüchtige Beschränktheit der Auf 
fassungsweise auf einen charakteristisch hohen Grad gesteigert ist, besitzt 
nicht thatkräftigen Standes- oder Familiensinn genug, um irgendwelche Opfer 
eines oder mehrerer Erbbeteiligten zu gunsten eines Anerben als gerecht 
fertigt oder notwendig zu begreifen. Man beklagt wohl die Folgen der 
Grundbesitzzersplitterung, hält diese aber für etwas um der notwendigen 
Gerechtigkeit und Billigkeit willen Unvermeidliches und ergiebt sich mit 
gewohnter Passivität in dieselben. Die ihrem Umfange nach nicht sehr be 
langreichen Gegenwirkungen gegen das Fortschreiten der Zersplitterung liegen 
aufserhalb des Bereiches der Erbfolge. Die umfangreichste ist die durch 
Heirat hervorgerufene; daneben kommt Aufkauf durch den das Haus über 
nehmenden Bruder in Betracht. Endlich findet sich auch hier und da der 
Gebrauch, dass mehrere Geschwister nach vorgenommener realer Teilung in 
einem Hause xusammen bleiben und gemeinsam wirtschaften. Gewöhnlich 
ist dann nur ein Bruder verheiratet und das Erbe der anderen Geschwister
	        
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