Full text: ¬Die Vererbung des ländlichen Grundbesitzes im Königreich Preussen (1)

I. Oberlandesgerichtsbezirk Köln. 
Reihe von einzelnen — manchmal von mehreren hundert — räumlich meist 
durch die ganze Gemeinde und durch die benachbarten Gemeinden zer 
streuten Parzellen, deren Ausdehnung selten die Grösse eines Hektars er 
reicht, häufig aber wenige Quadratmeter umfafst. Diese Zersplitterung ist 
eine Folge des hier zur Anwendung gelangenden Erbrechts. Die dem An 
erbenrecht zu Grunde liegende Anschauung, dass das bäuerliche Gut, der 
Hof, der Familie gehört und als solcher der Familie erhalten werden muls, 
ist der hiesigen Landbevölkerung völlig fremd.“ 
Landrat von St. Goar: „Diese Teilung findet bei den Ländereien 
vielfach, in manchen Gegenden durchgängig schon bei Lebzeiten der Aszen 
denten statt. Letztere behalten sich alsdann einen Teil der Grundstücke 
zu lebenslänglicher Nutzniefsung (sog. Ausbehalt) vor, wobei einer der Erben 
verpflichtet wird, den Schenkgebern die Aushaltungsländereien unentgeltlich 
zu bebauen, zu düngen und zu besäen, sowie ihnen die Früchte davon frei 
in Keller und Speicher zu liefern. Erfolgt der Eigentumsübergang nach 
dem Tode des einen oder der beiden Aszendenten, so wird das teilbare 
Grundeigentum, von welchem der überlebende Aszendent den ihm zuge 
hörigen Anteil sowie sein Sondergut durch Schenkung unter Lebenden ab 
tritt, nach den Regeln der Intestaterbfolge in Lose mit Taxwert gebracht 
und alsdann verlost mit Beurkundung der Loseziehung in Gemälsheit des 
Gesetzes vom 20. Mai 1885; die früher im hiesigen Bezirk üblichen Los 
zettel sowie auch die vielfach hier vorkommenden Privatakte über Grund 
eigentum sind seit Erlafs jenes Gesetzes nicht mehr anwendbar. Die aus 
wärts wohnenden Erben schreiten alsdann in den meisten Fällen zur Ver 
steigerung des ihnen zugefallenen Grundeigentums oder verkaufen dasselbe 
auch einem der Beteiligten. Die Gebäulichkeiten werden fast immer bei 
Lebzeiten der Aszendenten durch Schenkung unter Lebenden gegen einen 
vereinbarten Anschlagspreis einem der Kinder zum besseren Fortkommen 
in Eigentum übertragen, oft mit Konkurrenz und Zustimmung der übrigen 
Kinder zwecks definitiver Rechtskraft der Urkunde, sehr oft aber ohne diese 
Konkurrenz und Genehmigung, so dafs der Eigentumsübergang wegen 
etwaiger Verletzung des Pflichtteils anfechtbar bleibt. Der betreffende Ge 
schenknehmer übernimmt die etwa auf den Gebäulichkeiten haftenden Hypo 
theken nebst Verzinsung als eigene Schuld, bringt vom Rest des An 
schlagspreises seine eigene Beteiligung in Abzug und zahlt den Überschuls 
an seine Geschwister oder deren gesetzliche Erben nach den in der Ur 
kunde vereinbarten Bedingungen aus; der Anschlagspreis wird unter Be 
rücksichtigung der vom Geschenknehmer übernommenen, oft sehr lange 
dauernden Lasten gering angesetzt und giebt manchmal Veranlassung zum 
Prozefs, wenn die das Eigentum übertragende Urkunde nicht die Genehmi 
gung aller Beteiligten gefunden hat. Die Geschenkgeber (Aszendenten) be 
halten das Recht, die übertragenen Gebäulichkeiten nebst Hofraum lebens 
länglich unentgeltlich mitzubewohnen und mit zu benutzen und zwar meistens 
mit Vorzug vor dem Geschenknehmer und dessen Familie oder auch mit An 
weisung auf bestimmte Räume. In den meisten Fällen wird der Geschenk-
	        
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