Full text: ¬Die Vererbung des ländlichen Grundbesitzes im Königreich Preussen (1)

I. Oberlandesgerichtsbezirk Köln. 
scheid und Stolberg hat einen grossen Teil der Landbevölkerung in ihren 
Dienst gestellt, während die Einwohner des Wurmreviers als Bergleute ihren 
Unterhalt finden. Die in den Fabriken beschäftigten selbständigen Personen 
des Landbezirks sowie die Bergleute sind durchweg Eigentümer eines kleinen 
Hauses nebst Garten, pachten auch wohl ein Stück Land oder eine Wiese 
zur eigenen Bewirtschaftung hinzu. Ein anderer Teil der Landbevölkerung 
ist Eigentümer von ½ bis 5 ha Ackerland oder Wiese, hielt Milchvich und 
vielfach Pferdegespann. Letzteres wird, da die unbedeutende Ackerwirtschaft 
nicht genügende Beschäftigung bietet, in lohnender Weise als Lohnfuhrwerk 
verwendet, insbesondere zur Abfuhr von Kohlen, Holz, Ziegeln, Kalksteinen 
U. s. w. Die jüngeren Familienmitglieder sind fast ausnahmslos in den 
Fabriken beschäftigt, die billige Fahrgelegenheit auf den Eisenbahnen er 
möglicht auch den Einwohnern der entfernter gelegenen Dörfer, Arbeit in 
der Stadt zu übernehmen. Gehöfte von 8 ha und darüber sind fast durch 
queg im Eigentume von Industriellen, Kapitalisten und Korporationen. Die 
Bewirtschaftung erfolgt ausschliefslich durch Pächter. Die Dörfer Forst und 
Eilendorf mit 4800 bezw. 6300 Einwohnern weisen nur 4 bezw. 8 Besitzer 
auf, welche als Eigentümer Grundbesitz von mehr als 8 ha bewirtschaften; 
aber auch diese sind in der Mehrzahl Industrielle als Ziegelei-Kalkbrennerei 
besitzer, Holzhändler. Dagegen giebt es in den Gemeinden Laurensberg 
Richterich, Merkstein mehrfach Gehöfte bis zu 10 ha, welche von den Eigen 
tümern bewirtschaftet werden. Bei der Vererbung des ländlichen Grund 
besitzes sowohl des gröfseren wie des kleineren gelangt, soweit Kinder vor 
handen sind, regelmässig das geltende Intestaterbrecht zur Anwendung. Es 
dürfte kaum vorkommen, dass die Eltern, von ihrem Verfügungsrecht Gebrauch 
machend, testamentarisch über ihren Grundbesitz bestimmen, oder denselben 
durch Hofesübergabe bereits zu Lebzeiten auf ihren Nachfolger übertragen.... 
Was nun die Auseinandersetzung unter den Erben betrifft, so ist dieselbe 
je nach der Gröfse und der Lage des Grundbesitzes verschieden. Das An 
quesen des Fabrik- und Bergarbeiters läfst meistens eine Teilung nicht mehr 
zu; dasselbe wird von den Erben entweder öffentlich verkauft oder von 
einem der Erben zu einem angemessenen Preise übernommen. Der Grund 
besitz bis zu 8 ha wird vielfach auf Anstehen der Erben öffentlich verkauft, 
vielfach auch in natura geteilt; die bestehende Parzellenwirtschaft erleichtert 
die Zuweisung an die einzelnen Erben; Parzellen, welche als Bauterrain 
höheren Wert haben, werden gewöhnlich versteigert. Ein Teil der Kinder 
hat sich in der Stadt angesiedelt oder ist auswärts verheiratet: diese über 
lassen ihre Anteile den übrigen Geschwistern zu angemessenen Preisen, so 
dass die Zersplitterung nicht nach der Zahl der Kinder wächst. Die wenigen 
Bauernhöfe werden sellener geteilt. Ist die Zahl der Kinder nicht grols, so 
ist das eine oder andere Kind infolge günstiger Heirat in der Lage, den 
Hof unter der Hand von den Geschwistern zu übernehmen oder in öffent 
licher Versteigerung anzukaufen. Einzelne Parzellen werden alsdann häufig 
von den angrenzenden Besitzern erstanden. Geht der Hof nicht auf eines 
der Kinder über, so wird derselbe durchweg von Grofsindustriellen oder von
	        
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