I. Oberlandesgerichtsbezirk Köln.
immer; nur kommt es häufig vor, dafs der Übergabevertrag die nach
rheinischem Rechte eigentlich allein nur zulässige Form des Kaufvertrages
hat und die Eltern sich dann nur die Zinsen des Kaufpreises vorbehalten.
die sie aber zumeist bei dem Gutsübernehmer verzehren. Nicht selten er
folgt die Übertragung des Gutes auf den Übernehmer überhaupt noch nicht
sofort, sondern erst später nach freiwilligem Verzicht der Eltern auf die
„Meisterschaft“ oder nach ihrem Tode. Auch dafs das Bargeld ganz oder
zum Teil vorbehalten wird, ist die Regel.
Eigentümlich und ohne Seitenstück in anderen Berichten aus dem
Norden der Provinz ist folgende Mitteilung des Amtsgerichtes Goch: „Die
Gutsübertragungen geschehen sowohl bei Vorhandensein als bei Nicht
vorhandensein von Deszendenten regelmässig nur dann, wenn die wirtschaft
liche Lage der mehr oder minder arbeitsunfähig gewordenen Eigentümer
auf Unterstützung dritter bei der Bewirtschaftung anweist. Bei derartigen
Übertragungen wird nicht sowohl die wirtschaftliche Selbständigkeit des
Übernehmenden und die Erhaltung des Grundbesitzes in der Hand eines
leistungsfähigen Nachfolgers als vielmehr möglichst sorgenfreies Weiterleben
des Übertragenden bezweckt. Bei Übertragung auf Deszendenten wirkt
zwar auch der Wunsch, das Gut in der Familie zu erhalten, mit, nicht
minder aber auch die Aussicht, von diesem bessere Behandlung und Ver
pflegung zu geniessen als von Fremden.
Die Auszahlung der Abfindungssummen erfolgt gewöhnlich beim Tode
des Vaters oder des Längstlebenden der Eltern oder zur Hälfte nach dem
Tode je eines Elternteils oder auch wohl ein Jahr nach dem Tode der
Eltern; in allen diesen Fällen tritt nur dann Verzinsung ein, wenn das
Kapital über diesen Zeitpunkt hinaus stehen bleibt. Im Bezirk des Amts
gericht Dülken wird die Abfindung bei der Verheiratung ausgezahlt. Das
ist auch thatsächlich sonst vielfach der Fall. Meist, aber nicht immer werden
die Abfindungen hypothekarisch eingetragen. Der Zinsfufs ist gewöhnlich
geringer als der landesübliche, die Abzahlung wird auf jede Weise erleichtert
Aus den Kreisen Crefeld und Lennep wird berichtet, dass in grösserem Um
fänge von dem billigen amortisablen Kredit der Landesbank der Rhein
provinz Gebrauch gemacht wird.
Aufser den geldlichen haben die Übernehmer noch andere Ver
pflichtungen gegen die Abgefundenen. „Aufserdem wird vielfach für die
noch unverheirateten Geschwister eine Aussteuer ausbedungen, oder auch
dals sie in Krankheitsfällen oder in der Fichterzeit, das heifst in der
Zeit, wo sie ohne Stellung sind, 6 Wochen lang von dem Gutsübernehmer
unentgeltlich aufgenommen werden müssen..“ (Amtsgericht Geldern.) „Die
Geschwister (sog. Abständer) des Gutsübernehmers behalten, solange sie
minderjährig sind, und die Schwestern, solange sie ledig bleiben, freie Wohnung
und Verpflegung. Bei Übernahme von Kathstellen wird für die ledigen Ge
schwister, die in fremde Dienste treten, das Recht vorbehalten, im Falle der
Erkrankung oder Dienstlosigkeit für die Dauer von 6 Wochen alljährlich
freie Wohnung zu beanspruchen. In Krankheitsfällen erhalten sie freien