Full text: ¬Die Vererbung des ländlichen Grundbesitzes im Königreich Preussen (1)

I1. Die wirtschaftliche Bedeutung des rheinischen Erbrechtes. 
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Juristen sich im Interesse des gefährdeten Grundbesitzes für die Notwendig 
keit ausgesprochen, das Verfügungsrecht des Art. 913 Bügerlichen Gesetz 
buchs zu erweitern. Der seitdem eingetretene Verlauf der Dinge macht es 
nicht wahrscheinlich, dafs ein erweitertes Testier- und ein eingeschränktes 
Pflichtteilsrecht genügt. Wenn von der Befugnis des Art. 913 schon jetzt 
nur in einzelnen Bezirken Gebrauch gemacht wird,*) dann ist nicht zu er 
höffen, dals eine Erweiterung des Verfügungsrechtes einer ausgedehnteren 
Anwendung desselben die Wege öffnet. Im Gegenteil liegt die Befürchtung 
nahe, dals die realistische Richtung der Zeitläufe die jetzt noch teilweise be 
stehende Sitte verdrängen wird. Es wird darum wohl nur Abhilfe gesucht 
werden können durch ein den rheinischen Anschauungen möglichst angepasstes 
Anerbenrecht. Allerdings dürfte solches auszuschliefsen sein für den Klein 
besitz, vorausgesetzt, dafs die Grösse oder die Beschaffenheit des Grund 
stückes einen landwirtschaftlichen Betrieb überhaupt nicht zuläfst. Die un 
eingeschränkte Einführung des Anerbenrechts würde eine Vermehrung des 
besitzlosen Proletariats zur Folge haben. Der durch die gleiche Teilung des 
kleineren Besitzes beförderte Schollenbesitz verbündet dagegen den Eigen 
tümer mehr oder minder mit den Zielen, Aufgaben oder Interessen des 
Staates. Eben das ist für die Gegenwart und Zukunft besonders nach 
drücklich zu erstreben. Anders beim grösseren Besitz. Eben dieser bietet 
für die Nichtanerben zumal mit Hilfe einer angemessenen Abfindung leicht 
die Brücke zu einer gesicherten anderweiten wirtschaftlichen Existenz, 
Würde dabei, wie solches von der Tyroler Gesetzgebung vorgesehen ist, für 
den eine gewisse Grenze überschreitenden Teil eines landwirtschaftlichen Be 
sitzes das Anerbenrecht ausgeschlossen, so wäre der wohl zu beachtenden 
Gefahr, zu grolse Vermögen in einer Hand vereinigt und an die Stelle selbst 
landwirtschaftender Eigentümer Pächter mit nur vorübergehendem Interesse 
treten zu sehen, in sachgemässer Weise begegnet. Auch ein beschränktes 
Anerbenrecht wird im Rheinland scharfen Einwänden begegnen. Diesen wird 
jede Unterläge entzogen, wenn das autonome Verfügungsrecht des Grund 
eigentümers gewahrt und ihm das Recht gesichert bleibt, letztwillig zu be 
stimmen, dals bezüglich seines Grundbesitzes das Anerbenrecht ausgeschlossen 
sein soll. Wird auf diesem Wege das gesetzliche Anerbenrecht als die Regel, 
der Ausschluls desselben als die Ausnahme hingestellt, so wird sich mehr 
und mehr ein Umschwung der Rechtsauffassung vollziehen, der dann dem 
in seinen Vorzügen bald erkannten Anerbenrecht in den erwähnten Grenzen 
schliefslich allgemein Eingang verschafft.“ 
Es genüge hierzu die Bemerkung, dass, abgesehen von dem Klein 
grundbesitz, in dem oben näher umschriebenen „Gebiet des geschlossenen Hof 
überganges“ und in gewissen Teilen des „Übergangsgebietes“, die ungeteilte 
Vererbung der Landgüter zu ihrem Ertragswert, soweit nach den vor 
liegenden Berichten ein zutreffendes Urteil möglich ist, den Rechtsgewohn 
heiten und dem mutmasslichen Willen der Erblasser entsprechen würde. Im 
’) Vergl. hierzu die Ausführungen S. 17, 23, 26.
	        
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