I. Oberlandesgerichtsbezirk Köln.
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Bevölkerung einer etwaigen Änderung des Erbrechtssystems durchaus. In
Nohn sind etwa nur 2 Besitzer vorhanden, die einem mehr auf das Anerben
recht hinausgehenden System beistimmen würden. Beide gehören allerdings
zu den tüchtigsten der Eingesessenen und treiben viehzüchterische Wirt
schaft. Es ist aber keine Frage, dass die Stimmen für die Einführung eines
vielleicht fakultativen Anerbenrechts sich im Laufe der Jahre vermehren
werden. Vielfach wird schon jetzt Klage öffentlich darüber geführt, dass die
von Nohn wegziehenden Personen, welche ihr Erbe verkaufen, hierbei zu
willkürlich und rücksichtslos gegen ihre zurückbleibenden Miterben verfahren,
indem sie von den teuersten Grundstücken und insbesondere den Wiesen
und Gartenparzellen, zwecks Erzielung eines höheren Kaufgeldes ihr Erb
teil verlangen. Hierdurch geht dann häufig das Hausgärtchen oder ein gutes
Wiesenstück zum Schaden der die Ackerwirtschaft weiter treibenden Ver
wandten, welche einen so hohen Preis nicht zahlen können, in fremde
Hände über.“
Selbstverständlich ist andererseits eine vollständige Arrondierung nament
lich für kleinere Wirtschaften in den meisten Fällen ein Ding der Unmög
lichkeit, auch wenn nicht mehr strenge Drei- oder Vierfelderwirtschaft herrscht.
Von entscheidender sozialer Bedeutung ist es, dafs in Gegenden,
welche ausreichender Gelegenheit zu industriellem Nebenerwerb entbehren,
durch das Erbrecht die Betriebseinheit leicht auf einen Umfang herunter
gedrückt wird, der dem Besitzer eine selbständige Existenz nicht mehr er
möglicht. Die notwendige Betriebsgrösse kann unter Umständen recht gering
sein, bei den Veilchen- und Spargelbauern in Alfter und den anderen Orten
des Vorgebirges eine minimale. Aber die Landwirte können nicht alle
Veilchen und Gemüse bauen; auch der Handelsgewächs- und der Wein
bau sind an bestimmte, nach der Ausdehnung der Verkehrsmittel und noch
mehr nach Klima und Boden genau umgrenzte Gegenden gebunden. Eine
Reihe der Berichte spricht sich, zum Teil mit eingehender Begründung, da
hin aus, dass die kleinsten Betriebe sich wohl bewähren. Einstimmig er
klären die Berichterstatter aus der Saarbrückener Gegend, dals das geltende
Erbrecht auch den wirtschaftlichen Interessen der Landbevölkerung durchaus
entspreche. Wenn nämlich auch durch die stellenweis zu weit gehende Par
zellierung des Grundbesitzes Nachteile entstünden, so sei es doch andererseits
ganz abgesehen von der die Landwirtschaft im Nebenbetriebe führenden
Arbeiterbevölkerung — unter den dortigen Verhältnissen für einen Acker
bauer vorteilhafter, auf einem kleinen, aber möglichst schuldenfreien Besitze
mit eigenen Kräften zu wirtschaften, als einem grösseren Besitz unter Be
lastung mit Herausgabe an Miterben zu gewinnen, da die Benutzung fremder
Arbeitskräfte bei den durch die Industrie überaus gesteigerten Lohnsätzen
keine Vorteile mehr ergäbe. Ein Amtsrichter meint sogar, dals die Zer
splitterungszunahme den Eigentümern zum Nutzen gereiche, da die Grund
stücke dadurch im Werte zunehmen — ein Moment, welches jedoch nur
vom privatwirtschaftlichen Standpunkt und für denjenigen von Bedeutung ist,
der sein Grundstück verkaufen will. Unter dem volkswirtschaftlichen und