Geschichtliche Entwickelung der geltenden Vererbungsgewohnheiten.
Ergebnis dieser Operation ist eine bedeutende Erhöhung der
Abgaben. Ähnlich wie hier, so dürfte auf zahlreichen andern Grundherr
schaften die Entwickelung gewesen sein, namentlich in den neu ent
standenen weltlichen Herrschaften. Denn einmal lag es in der
Eigenart des halb-öffentlichen, halb-privaten Abhängigkeitsverhältnisses, dass
die Hörigkeit dazu neigte, das Wesen einer Privatunterthänigkeit abzustreifen,
und zweitens drängte das finanzielle Bedürfnis dort mit besonderen Nachdruck
zu jener Umgestaltung. In freilich wenig durchsichtiger Weise schildert
SCHULTES, der Geschichtsschreiber der Grafschaft Henneberg, diesen Vor
gang, eine Darstellung, die indessen durch ihre urkundliche Basis nicht
ohne Wert ist. Er führt aus, dass in älterer Zeit die „teutschen Bauern
leibeigne Knechte“ gewesen seien, und erst späterhin persönliche Freiheit
erlangt hätten. Die Bedingungen, unter denen diese Besserung der
Rechtsverhältnisse erfolgte, kennzeichnet er mit den Worten: „In
späteren Zeiten, sowie der Adel immer mehr zusammenstarb und die
Regenten anderen Kameralgrundsätzen folgten, fing man an, die fast in
allen Dorfschaften zerstreuten Höfe und Güter dem Landmann gegen immer
währende Geld- und Getreidezinsen und zum teil mit Vorbehalt der Zehnden
und andrer geringerer Abgaben dergestalt zu verleihen, dass in Kauf- und
Veränderungsfällen der neue Gutsbesitzer verbunden war, dem Lehnherren
für die erneuerte Beleihung eine gewisse dem Werte der Grundstücke
angemessene Lehnware zu entrichten, um dadurch das demselben daran
zustehende Eigentum (dominium directum) von Steuern anzuerkennen*)“.
Neben den erwähnten Momenten trug noch ein weiterer Umstand zur
Zersetzung des alten grundherrlichen Verhältnisses bei: die gesteigerte Mobili
sierung der grundherrlichen Rechte. Sie wird durch die überaus zahlreichen
Urkunden aus dem 13. und 14. Jahrhundert bewiesen, die Kauf-, Tausch-,
Pfandgeschäfte betreffen, durch welche Grundbesitz, bezw. Rechte an solchem
an Dritte zur Übertragung gelangen. Die Grundherrlichkeit als ein ein
heitlicher Komplex von Rechten löst sich damit auf, verflüchtigt sich in
einzelne Rechte (Ansprüche auf Zinsleistungen, Dienste, Gerichtsbarkeit
u. s. w.), die verschiedenen Personen zustehen.
Die juristische Natur des neu entstandenen bäuerlichen Besitzrechtes
im 14. Jahrhundert lässt sich nicht leicht in scharfer Weise präzisieren.
Unzweifelhaft handelt es sich um ein erbliches Nutzungsrecht, aber zweifel
haft ist, wie weit das Verfügungsrecht des Inhabers über die Substanz geht,
wie weit ihm Verkauf, Verschuldung, Teilung erlaubt ist. Nach den wenigen
hierüber vorliegenden Urkunden muss indessen angenommen werden, dass
es zu den erwähnten Rechtsgeschäften der Einwilligung des Grund- bezw.
Zinsherren bedurfte. So bedarf z. B. in einer Urkunde vom Jahre 1302
eine Witwe zur Schenkung zweier Hufen, die sie nach „jure hereditario“
inne hatte, der Genehmigung ihres Obereigentümers, obwohl für diesen eine
Beeinträchtigung seiner Zinsrechte durch jene Schenkung offenbar nicht
’) SCHULTES: a. a. O. Bd. I, Abt. 2. S. 339,