Bestehende Erbgewohnheiten.
eintretende Intestaterbfolge die Konservierung des Hofes in Frage stellen.
Rücksichten der Art lenken die Wahl der Eltern daher meist auf den
ältesten Sohn. Ist derselbe jedoch in einem anderen Beruf thätig, aus
wärts verheiratet, oder in seiner landwirtschaftlichen Thätigkeit nicht tüchtig
genug, so wird der Hof auf das tauglichste unter den übrigen Kindern
übertragen, wobei sowohl die Söhne, als auch die Töchter bzw. deren Ehe
männer in Betracht kommen. Bezeichnend für die Mannigfaltigkeit der
Momente, nach denen sich bisweilen die Wahl des Nachfolgers bestimmt,
ist ein Fall, wo die Wahl auf den jüngsten unter sechs Söhnen fiel, obwohl
dieser nicht Landwirt, sondern Schmied war. Der Vater hatte ihn aber ausge
wählt, weil er mit ihm am verträglichsten zusammenleben zu können glaubte.
Von entscheidender Bedeutung für die Bestimmung des Nachfolgers ist, wie
bereits betont, häufig die pekuniäre Lage der etwaigen Erben. Wer die „beste
Partie“ gemacht und damit die Mittel zur Auszahlung der übrigen Ge
schwister erworben hat, dem wird der Hof übergeben. So heisst es
z. B. in dem Berichte des Landratsamtes Halle (Saalkreis): „Auf die
Heirat einer wohlhabenden Frau, wird so sehr Rücksicht genommen, dass
zuweilen abweichend von der obigen Regel nicht der älteste Sohn, sondern
derjenige, welcher die reichste Heirat gemacht hat, das väterliche Grund
stück bekommt2).“
Der Zeitpunkt, zu dem die Übergabe des Hofes eintritt, ist
meistens die Verheiratung des in Aussicht genommenen Nachfolgers.
Da die Eheschliessungen bei den bäuerlichen Besitzer in diesen Gegenden
im allgemeinen bei einem Alter von 26—32 Jahren stattfinden, so sind
die Eltern schon in einem Alter, welches die Zurückziehung auf das
Altenteil unbedenklich erscheinen lässt. Heiratet der Sohn früher, so
findet eine Übergabe des Hofes in verhältnismässig jungen Jahren statt.
Doch wird eine so frühzeitige und daher nicht unbedenkliche Übergabe
nur vereinzelt erwähnt (Kr. Wolmirstedt, A.-G.-B. Herzberg, Salzwedel).
Andererseits finden sich umgekehrt Beispiele, wo der Besitzer erst in einem
relativ hohen Alter, zwischen dem 65.—75. Lebensjahre, seine Wirtschaft
an den Nachfolger überlässt. Dieser Fall zeigt sich namentlich bei grösseren
Besitzern, bei denen eine Notwendigkeit, stets angestrengt körperlich mit
zuarbeiten, nicht mehr besteht.
d. Die Abfindungen der Miterben.
Der in der geschilderten Weise ermittelte Kaufpreis dient, soweit er
über die Passiva hinausgeht, zur Abfindung der übrigen Erben. Sie
erscheinen, nach den angeführten Belegen zu urteilen, vielfach spar
lich bedacht; indessen darf nicht äusser Acht gelassen werden, dass sie
häufig anderweitig bei ihrer Verheiratung, Berufsvorbereitung, Gründung
eines selbständigen Erwerbes u. s. w. eine mehr oder minder erhebliche
Zuwendung von Kapitalien erfahren haben. Denn es waren infolge
der günstigen Konjunkturen früherer Jahrzehnte und der sparsamen Lebens
*) Kreis Halle, A.-G. B. Tangermünde, A.-G.-B. Schmiedeberg.