Full text: ¬Die Vererbung des ländlichen Grundbesitzes im Königreich Preussen (3)

III. Kapitel. Die bestehenden Erbgewohnheiten. 
je nach den eintretenden Umständen ganz verschieden wirken: als Vorteil 
oder als eine seine Existenz aufs höchste gefährdende Last. Solange die 
Altenteiler eine gute Behandlung erfahren, verlangen sie in der Regel die 
vertragsmässigen Leistungen durchaus nicht vollständig und pünktlich, 
sondern begnügen sich mit freier Beköstigung am Tisch des Bauern und 
freier Station und stellen ihm oft ihre Arbeitskraft noch lange unentgeltlich 
zur Verfügung. In solchen Fällen fühlt der Bauer den Altenteil fast gar 
nicht, und doch hat dieser den Übernahmepreis um seine vertragsmässig 
fixierte Höhe verringert. Sobald aber Zwistigkeiten entstehen, — meist eine 
Folge schlechten Auskommens mit der Schwiegertochter, öfter als mit dem 
Schwiegersohn — hört dieser dem Bauer günstige Zustand auf. Die Alten 
verlangen dann zunächst prompt und voll alle vertragsmässigen Leistungen. 
Dies giebt zu neuen Streitigkeiten Anlafs; schliefslich ziehen sie in ein 
anderes Haus und verlangen die für diesen Fall etwa stipulierte Miets 
entschädigung; oder sie ziehen gar in ein Nachbardorf und beanspruchen 
die Lieferung des Altenteils dorthin, wozu ihnen nach den meisten Alten 
teilsverträgen im Umfange von 2, 3 ja 4 Meilen das Recht zusteht. Ge 
schieht dies, so ist die Leistungskraft des Bauern meist bald erschöpft, und 
der Altenteil bringt ihn an den Rand des Verderbens. Für den Eintritt 
solcher Zwistigkeiten erweist es sich als zweckmässig, wenn in dem Vertrage 
die Befugnis der Altsitzer ausgesprochen ist, im Fall ihres Fortzuges vom 
Grundstück statt der Naturalien eine angemessene jährliche Rente zu ver 
langen. Machen die Alten von dieser Befugnis Gebrauch, so ist wenigstens 
der unerträgliche Zustand fortwährend sich erneuernden Zankes und neuer 
Chikanen für beide Teile beseitigt. Freilich ist für den Bauer die Verpflich 
tung der Rentenzahlung meist keine leichte, er scheut sich, feste Barzahlungen 
zu übernehmen, und ist deshalb zur Aufnahme dieser Bestimmung in die 
Kontrakte nicht gern bereit. Die Bestimmung wirkt aber auch insofern 
günstig, als sie den Bauern zwingt, seinerseits dem Eintreten von Zwistig 
keiten durch gute Behandlung der Altsitzer vorzubeugen. 
In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle ist aber in Altvor- und 
Hinterpommern das Verhältnis zwischen Altsitzern und Bauern ein durchaus 
erträgliches. Streitigkeiten kommen zwar, wie das ganz unvermeidlich ist. 
vor; sie werden aber meist entweder in der Familie selbst, oder, namentlich 
wo ein Gutsherr Amtsvorsteher des Dorfes ist, von diesem geschlichtet. 
Dass sie zu gerichtlichem Austrage kommen, gehört durchaus zu den Selten 
heiten. Geschieht es, so ist das Resultat meist ein Vergleich, nach dem die 
Altsitzer vom Hofe fortziehen, und der Bauer die Verpflichtung übernimmt, 
statt des Altenteils eine jährliche Rente zu zahlen. 
Die Angaben über die Höhe der Altenteile in Geld sind meist, soweit 
sie in den Verträgen enthalten sind, deshalb ziemlich wertlos, weil sie hier 
nür wegen Berechnung der Stempelgebühr gemacht werden, also möglichst 
niedrig zu sein pflegen, aber auch soweit sie aus anderen Quellen stammen. 
sind sie meist sehr ungenau, weil viele der Naturalleistungen sich in Geld 
gar nicht genau abschätzen lassen. 
Vererbung des ländlichen Grundbesitzes. X. Pommern.
	        
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