Full text: ¬Die Vererbung des ländlichen Grundbesitzes im Königreich Preussen (3)

VIII. Provinz Sachsen. 
zu übergeben, wird unterstützt durch die Energie, den Fleiss, die Sparsam 
keit des sächsischen Landwirts. Es wurde unter der Herrschaft der 
früheren lohnenden Preise als Pflicht des sorgsamen Wirtes angesehen, etwa 
die Hälfte des Einkommens zu sparen. 
Unter solchen Verhältnissen 
wurde für die Abfindung der übrigen Kinder ein Geldkapital verfügbar, und 
damit die Überlassung des Hofes an den Annehmer zu günstigen Be 
dingungen ermöglicht. 
Immerhin wird man sagen können, dass in gewissem Umfang der 
Rübenbau doch zu einer Mobilisierung des Grundbesitzes geführt hatte 
und Verkäufe von Bauerhöfen dort häufiger als in anderen Gegenden und 
früheren Zeiten erfolgten. Bei Kränklichkeit des Besitzers oder seiner 
Frau, Kinderlosigkeit, anderweitiger Berufsthätigkeit der Kinder, hoher 
Verschuldung entschloss sich der bäuerliche Besitzer leichter zum Verkauf 
bezw. zur Verpachtung, weil die Gelegenheit hierzu eine günstige war. 
Abgesehen von solchen besonderen Anlässen fanden in den Zeiten auf 
steigender Konjunktur auch bei ganz normalen Verhältnissen öfters Ver 
äusserungen des ererbten Hofes statt, lediglich weil der von dem Nachbar ge 
botene Kaufpreis ein verlockender war. In den Augen der Berufsgenossen galt 
ein solches Verfahren aber nicht als rühmenswert. Wer sich ohne Not vom 
alten Sitze der Familie, vom angeborenen, anerzogenen Berufe trennte, der 
galt nicht als ein echter Landwirt, sondern bloss als solcher „zweiter 
Klasse“. 
In der Gegenwart kommt nun die verlockende Aussicht, einen hohen 
Kaufpreis zu realisieren, weniger in Betracht. Heute ist es vielmehr die 
entmutigende Lage der Landwirtschaft, die mangelnde Rentabilität, die 
Schwierigkeit der Leuteverhältnisse, die Hoffnung, sich und den Seinen ein 
reichlicheres, bequemeres Dasein in den Städten zu verschaffen, die manchen 
Landwirt zum Verlassen der heimischen Scholle bewegt. Endlich hat die 
Aussicht, mit dem gleichen Grund- und Betriebskapital in den östlichen 
Provinzen einen weit grösseren Besitz als in der Heimat bewirtschaften zu 
können, manchen Landwirt zum Verkauf des väterlichen Hofes bestimmt. 
um die ihm verlockend scheinende soziale Position eines ostelbischen Ritter 
gutsbesitzers zu erringen. 
Im Ganzen genommen, dürfte indes die Mobilisierung im Laufe des 
letzten Jahrzehntes abgenommen haben, da der Rückgang in der Renta 
bilität die Möglichkeit eines vorteilhaften Verkaufs stark verringert hat. 
Daher stellt sich nach wie vor auch in den Rübengegenden die Erhaltung 
des Besitzes in der Familie als Regel dar. 
Das gekennzeichnete Streben kommt nun darin zum Ausdruck, 
dass der Übernahmepreis weit hinter dem etwa zu erzielenden 
Verkaufspreis zurückbleibt. Eine bestimmte Relation zwischen 
beiden besteht allerdings nicht, vielmehr richtet sich der Überlassungspreis 
durchaus nach den Verhältnissen des individuellen Falles. Es ist also 
weder ein bestimmter Bruchteil des Verkaufspreises, etwa 5/6, 2/8 u. s. w., 
noch auch der Ertragswert im wissenschaftlichen Sinn die Basis seiner
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.

powered by Goobi viewer