Full text: ¬Die Vererbung des ländlichen Grundbesitzes im Königreich Preussen (3)

Bestehende Erbgewohnheiten. 
nutzt haben, dahin, dass auf die Erhaltung des Grundbesitzes in der Hand 
eines leistungsfähigen Unternehmers hingewirkt wird.“ In entsprechender 
Weise äussert sich das A.-G. Neuhaldensleben: „Es wird ein fester, aus 
nahmslos für den Annehmer günstiger Preis verabredet“; im Bezirke des 
A.-G. Seehausen (Kr. Wanzleben) wird der Übernahmepreis gleichfalls 
„mässig“ genannt und soll „oft nicht unerheblich unter dem Verkaufswerte der 
Grundstücke zurückbleiben“. Dazu bemerkt weiterhin das Amtsgericht: 
„Die vorerwähnte Sitte ist auch nicht in der Abnahme begriffen, vielmehr 
sind die Grundbesitzer der hiesigen Gegend bestrebt, ihren Grundbesitz in 
der Hand eines leistungsfähigen Erben zu erhalten“. Ferner deckt sich 
hiermit die Aussage des A.-G. Wanzleben: „Soweit der Übergang des 
ländlichen Grundbesitzes auf die Deszendenten, sei es unter Lebenden, sei 
es von Todeswegen, geregelt wird, geht das Bestreben dahin, den Grund 
besitz möglichst in der Hand eines Kindes zusammenzuhalten . 
bleibt, wenigstens soweit Gutsüberlassungsverträge in Frage kommen, der 
Überlassungspreis in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle hinter dem 
gemeinen Werte des Grundbesitzes zurück und zwar zum Teil erheblich." 
Aehnlich wie die genannten Berichte aus der „Börde“, so lassen auch die 
aus den Rübengegenden des Reg.-Bez. Merseburg das Streben der Besitzer, 
den Hof der Familie zu erhalten, deutlich erkennen. 
Die Verbreitung des Rübenbaus, die dadurch bewirkte Wert 
steigerung des Bodens und vermehrte Verkaufsgelegenheit hat also im 
allgemeinen das Bestreben, den Grundbesitz der Familie zu er 
halten, nicht beeinträchtigt. Die bäuerlichen Besitzer sind von jener 
kaufmännischen Auffassung, welche im Boden eine Waare sieht, die man 
billig kauft, um sie später bei günstiger Konjunktur teuer abzusetzen, meist 
weit entfernt. Wo ein Hof Generationen hindurch im Besitze der 
selben Familie gewesen sei — so wurde dem Verfasser vielfach mündlich 
erklärt —, da sähe sich der derzeitige Inhaber nicht mehr als Eigentümer, 
sondern nur als „Niessbraucher“ an. Der Gedanke läge ihm fern, mit 
dem Hofe nach Belieben schalten zu können, vielmehr hielte er es für 
seine Pflicht, den von den Vätern Jahrzehnte hindurch behaupteten Besitz 
nun seinerseits der Familie treu zu bewahren. Nicht Gesichtspunkte 
der Zweckmässigkeit, sondern traditionelle Empfindungen der 
Pflicht erscheinen so als letzter Beweggrund für jene Erb 
gewohnheit. So unwahrscheinlich es manchen, einer anderen Lebens 
atmosphäre angehörenden Kritikern erscheinen mag, thatsächlich bildet 
doch die liebevolle Pietät, der Stolz auf den angestammten „Hof“ das 
bestimmende Motiv. Ganz drastisch wird der Grad dieser Empfindungen 
durch die nachstehende Erzählung, welche dem Verf. im Kreise Calbe a. S. 
zu Ohren kam, gekennzeichnet. Aus Anlass eines Intestaterbganges war ein 
Hof an Fremde veräussert worden, und nun ging allgemein in der Gegend 
die Rede: „Wenn der Alte (Besitzer) aus dem Grabe stiege, wie wurde 
der die Fremden von seinem Hofe prügeln.“ 
Dieses Bestreben, den Hof unter erträglichen Bedingungen dem Sohne
	        
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