X. Provinz Pommern.
Im Bütower Kreise, so berichtet das dortige Amtsgericht, „vollzieht sich der Besitz
übergang vom Vater auf den Sohn fast immer durch Kaufvertrag. Dabei gilt zwar eine
solche Normierung der Kaufbedingungen als selbstverständlich, daßs nach der Überzeugung
beider Kontrahenten der Gutsübernehmer mit Erfolg wirtschaften könne. Ob aber bei diesen
Kaufverträgen das Interesse, das Gut im Besitze des Sohnes zu erhalten, dergestalt im
Vordergrunde steht, dass diesem Erfolge bei knappem Vermögen die dem Intestaterbrecht
entsprechende Gleichberechtigung der Kinder zum Opfer gebracht wird, läfst sich mit Sicher
heit nicht feststellen. Die Frage wird schwerlich ohne weiteres zu bejahen sein. Dagegen
spricht jedenfalls das häufige Vorkommen des Gutsverkaufs an Fremde.“
„Wenn selbst von der vielfach hervorgetretenen Neigung der Besitzer, die Güter zu
zerstückeln und parzellenweise zu veräufsern, abgesehen wird, so bleibt dennoch die Zahl
der Gutsverkäufe an Fremde überwiegend über die Zahl der Verkäufe an den Sohn.“
Andererseits ist hervorzuheben, „dafs einige adlige Güter, und zwar gerade die grössten,
mehrere Generationen hindurch fortgesetzt durch Kaufverträge, hin und wieder auch durch
Verfügung von Todes wegen, vom Vater auf den Sohn übergegangen sind. Hier hat das
Familieninteresse, anscheinend unterstützt durch günstige Vermögensverhältnisse, die Regel
ausgebildet, dals die Intestaterbberechtigung durch ein Rechtsgeschäft des Erblassers zu
gunsten des Gutsübernehmers wesentlich modifiziert wird“. In einem Fall sind 2 Güter
2 Söhnen sogar zu so niedrigem Anschläge vermacht worden, daßs dadurch und durch die
den anderen Söhnen vor den Töchtern eingeräumten Vorzüge der Pflichtteil der Töchter ge
fährdet wurde. In einem anderen Fall konnte ein Gut laut Testament vom ältesten Sohne
für 390000 M übernommen werden; das Testament kam aus unbekanntem Grunde nicht zur
Ausführung, und bei der Erbteilung übernahm der jüngste Sohn das Gut für 450 000 M.
Ein drittes Rittergut endlich wurde vom Vater an den Sohn für 150000 M verkauft,
unter der ausdrücklichen Bemerkung im Vertrag, dass das verkaufte Gut im Verhältnis zum
Kaufpreise einen Mehrwert von 24000 M hat. (Bericht des A.-G. Bütow.)
Derartige Bevorzugungen sind aber wie gesagt, singuläre Gewohnheit einiger adligen
Familien. „Im allgemeinen ist es“ nach Ansicht des Amtsgerichts zwar „die Regel, daßs die
auf Descendenten übertragenen Güter durch Rechtsgeschäft unter Lebenden übereignet
werden, es läfst sich aber nicht zuverlässig konstatieren, dass durch diese Rechtsgeschäfte die
Intestaterbrechte in einer bestimmten Richtung abgeändert zu werden pflegen.“
Trotzdem „ist eine Realteilung im Erbwege in letzter Zeit nicht vorgekommen“, und
„bei der einzigen in den letzten 10 Jahren stattgehabten gerichtlichen Nachlafsregulierung
wurde zwar, das Intestaterbrecht streng angewendet, dennoch aber wurde das Gut von dem
ältesten Sohne des Erblassers erworben“. (Bericht des Amtsgerichts.)
Im wesentlichen ähnlich spricht sich der Landrat des Bütower Kreises dahin aus: „Dei
Grolsgrundbesitz pflegt bereits zu Lebzeiten des Erblassers an einen Erben überzugehen,
welcher entweder besonders als Landwirt befähigt ist, oder durch Heirat kapitalkräftiger als
die Miterben geworden ist. Wo dieser Fall nicht eintritt, wird bisweilen der Grofsgrund
besitz nach dem Tode des Erblassers so lange gemeinschaftlich bewirtschaftet, bis entweder
einer der Miterben das Grundstück aus der Erbmasse zu kaufen kräftig genug ist, oder wenn
dieses nicht der Fall ist, bis ein fremder Käufer dasselbe erwirbt.“
Im allgemeinen ist die Verschuldung des Grofsgrundbesitzes im Bütower Kreise, in
dem jedoch der Kleinbesitz prävaliert, eine ziemlich hohe.*)
Im Saatziger Kreise (Stargard), welcher die Amtsgerichte Stargard, Jakobshagen und
Nörenberg enthält, kommt fast nie das Intestaterbrecht zur Anwendung, vielmehr ist der
ungeteilte Übergang an einen Erben die Regel.
Im Bezirk des A.- G. Stargard, der jetzt zum Teil in die Kreise Pyritz und
Naugard übergreift, liegen 131 Rittergüter. Von diesen sind in den Jahren 1878—1893
40 durch Testament vom Erblasser an einen Erben sei es mit oder ohne festgesetzten An
nahmepreis unter Abfindung der Miterben übergegangen. „Die Einheit und Stetigkeit des
Gutsbestandes wird“, so fährt das Amtsgericht fort, „demgemäfs durchweg aufrecht erhalten,
’) cfr. Agrarkonferenz S. 84.