Full text: ¬Die Vererbung des ländlichen Grundbesitzes im Königreich Preussen (3)

X. Provinz Pommern. 
den Miterben bald in höherem, bald in geringerem Masse bevorzugt, meist 
werden die Töchter hinter den Söhnen zurückgesetzt. 
Im einzelnen sind folgende thatsächliche Vorgänge und Verhältnisse 
von den Berichterstattern ermittelt worden. Als erste Gruppe betrachten 
wir die Kreise: Usedom - Wollin, Greifenberg, Greifenhagen, Regenwalde, 
Ueckermünde, Bublitz, Belgard, Kolberg und den A.-G.-B. Stettin-Land. 
Kreis Usedom-Wollin. Im Kreise Usedom-Wollin, wo der Grofsgrundbesitz keinen 
grossen Raum einnimmt, sind in jüngster Zeit 3 hierher gehörige Erbfälle vorgekommen. In 
dem einen wurden 3 Rittergüter vom Vater unter Abfindung der miterbenden Geschwister 
auf einen Sohn durch Testament zu festem Preise, unter Festsetzung des Surplus-Reservats 
für gewisse Zeit, übertragen. 
Im zweiten Fall ging ein Gut von dem „unbeerbt“ verstorbenen Vorbesitzer auf 
seinen Bruder über, ob im Wege der testamentarischen oder Intestat-Erbfolge ist nicht er 
mittelt, und im dritten Fall wurden 2 Rittergüter durch Vertrag gegen Zahlung einer Rente 
(Altenteilsvertrag) schon bei Lebzeiten des Vaters dem Sohn übereignet. 
„Im allgemeinen kommt im Kreise Usedom-Wollin bei grösseren Besitzungen das 
Intestaterbrecht in der Regel nicht, oder wenigstens dann nicht zur Anwendung, wenn Söhne 
vorhanden sind, vielmehr wird in diesen Fällen durch Testament oder Vertrag eine andere 
Erbfolge festgelegt.“ (Bericht des Landrats.) 
Es herrscht also die Neigung, den Grundbesitz im Erbgang nicht zu teilen, vor. Die 
Leistungsfähigkeit des Übernehmers ist nicht ungewöhnlich gefährdet. 
Kreis Dramburg. Im A.-G.-B. Kallies „ist in den Jahren von 1880 bis 1895 kein 
Fall der Gutsüberlassung und nur ein einziger Fall der Vererbung vorgekommen; in letzterem 
hatte der Gutseigentümer ein Testament errichtet.“ (Bericht des Amtsgerichts Kallies.) 
Auch im A.-G.-B. Dramburg hat seit 1880 nur eine Vererbung stattgefunden: „Der 
Grundbesitzer setzte hier seine sämtlichen Intestaterben als Erben ein, räumte aber seiner 
überlebenden Witwe das unbeschränkte Verfügungsrecht ein“. (Bericht des Amtsgerichts 
Dramburg.) 
Kreis Greifenberg. Von den 53 Rittergütern des Greifenberger Amtsgerichtsbezirks 
hat der jetzige Eigentümer sein Gut beim letzten Besitzwechsel: 
in 13 Fällen; auf Grund Testaments von Eltern oder Angehörigen, 
Intestaterbrechts ererbt. 
durch Überlassungsvertrag von den Eltern, 
aber aus fremder Hand erworben. 
„ 28 
Demnach sitzt hier die grössere Hälfte der heutigen Besitzer auf gekauftem, nur die 
kleinere auf ererbtem Lande. In den Verfügungen der Erblasser macht sich die Tendenz 
zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Übernehmers zwar geltend, ihrer Verwirklichung 
stehen jedoch die schon angedeuteten Schwierigkeiten gegenüber. 
Bei der Gefährdung des Grofsgrundbesitzes im Erbfalle ist die neuerdings hier beob 
achtete Neigung der Besitzer zur Gründung von Fideikommissen erklärlich. 
Kreis Greifenhagen. Im Greifenhagener Kreise giebt es nur wenig grossen privaten 
Grundbesitz: ca. 12 Ritter- und 9 andere Güter. „Bei der Vererbung steht das Streben 
nach Gleichstellung der Geschwister im Vordergrunde. 
Man sieht darauf, dass der präsumtive Gutsübernehmer eine möglichst reiche Frau 
heiratet, damit er in die Lage gesetzt wird, trotz hoher Abfindungen der Miterben bestehen 
zu können. 
Kann auf diese Weise die Abfindung der anderen Geschwister ohne Überschuldung 
bewirkt werden, so geschieht es, sonst findet Verkauf statt.“ (Bericht des Landrats.) 
A.-G.-B. Stettin Land. Von 38 Rittergütern sind hier beim letzten Besitzwechsel 16 
an Fremde durch Verkauf übergegangen. Trotzdem ist nach Ansicht des Amtsgerichts die 
wirtschaftliche Lage des Grofsgrundbesitzes keine besonders schlechte, noch die Ver 
schuldung eine hohe, auch ist die Tendenz zur Erhaltung des Gutes in einer Hand und 
niedrigen Bemessung der Annahmepreise überall vorhanden.
	        
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