Full text: ¬Die Vererbung des ländlichen Grundbesitzes im Königreich Preussen (3)

II. Kapitel. Das in Pommern bis zum 1. Jan. 1900 geltende eheliche Güter- u. Erbrecht. 51 
Die Totalteilung des gütergemeinschaftlichen Vermögens kann vom 
überlebenden Ehegatten jederzeit vorgenommen, von den Kindern aber, sc 
lange keine gesetzlichen Gründe vorliegen, nicht verlangt werden. Gesetz 
liche Gründe liegen vor: wenn der überlebende Ehegatte zu einer neuen 
Ehe schreitet, ferner wenn er in ein Kloster oder Hospital geht, und wenn 
er sich der Verschwendung verdächtig macht. *) 
Diese Totalteilung wird so bewirkt, dass von dem ganzen gemein 
schaftlichen Vermögen, wie es zur Zeit der Auseinandersetzung vor 
handen ist, der überlebende Ehegatte nach Abzug der Schulden die eine 
Hälfte, die nicht abgefundenen Kinder die andere Hälfte erhalten. Subsidiär 
kommt dabei die Bestimmung des § 648 II, 1 allgemeinen Landrechts in 
Betracht, welche, falls in dem zu teilenden gemeinschaftlichen Vermögen 
Grundstücke vorhanden sind, dem überlebenden Ehegatten die Wahl giebt, 
diese Grundstücke für eine von den übrigen Erben zu setzende Taxe zu 
übernehmen, oder sie in der zu teilenden Nachlalsmasse zu belassen. Auch 
das sogenannte Surplus-Reservat (Anhang § 79 des allgemeinen Landrechts) 
kann hier zur Anwendung gelangen. 
Sind neben dem überlebenden Ehegatten nur solche Kinder vorhanden, 
welche bei Lebzeiten der Eltern wegen ihres Erbes bereits gänzlich abge 
funden sind, so erhält der überlebende Ehegatte das ganze Vermögen allein, 
und vererbt es erst nach seinem Tode an diese Kinder, falls er nicht eine 
neue Ehe eingeht, und Kinder aus ihr erhält. Dann würden diese Kinder 
jene der ersten Ehe ausschliefsen. 
Stirbt bei unbeerbter Ehe, in der also Gütertrennung herrschte, ein 
Ehegatte ohne Hinterlassung eines Testaments, so tritt stets notwendiger 
weise Teilung des Nachlasses ein. Der überlebende Ehegatte nimmt dann 
sein eigenes Vermögen ganz zurück und erhält aufserdem die Hälfte von 
dem nachgelassenen Vermögen des Verstorbenen, während die andere Hälfte 
an dessen nächste Erben fällt.* 2) 
Bezüglich der Immobilien giebt es, abgesehen von dem oben erwähnten 
Wahlrechte des überlebenden Ehegatten, eine Sondernachfolge nicht, ein ge 
setzliches Anerbenrecht insbesondere besteht in keiner Form. 
Für die Auseinandersetzung unter den Miterben bei Eintritt eines 
Intestaterbfalls nach dem Tode des letztlebenden Ehegatten gelten die weiter 
unten dargestellten Vorschriften des allgemeinen Landrechts, der allgemeinen 
Gerichtsordnung etc. Was die testamentarische Erbfolge anbetrifft, so ist 
jeder Ehegatte im Falle der Gütergemeinschaft allein nur befugt, über die 
ihm zustehende Hälfte des Gesamtvermögens zu testieren, wobei er hinsicht 
lich der Grundstücke ebenso an die Zustimmung des anderen Ehegatten 
gebunden ist, wie bei Verfügungen unter Lebenden. Bei unbeerbter Ehe 
kann jeder Ehegatte allein von Todes wegen nur über sein eigenes Vermögen 
verfügen. Wechselseitige Testamente hingegen können die Ehegatten stets 
über die Gesamtheit ihrer Güter errichten. 
’) Lib. II, Tit. 2, Art. 5, 8, 21, 29, Lüb. R., Statutarrechte S. 86, HEck, a. a. O., S. 90. 
2) Statutarrecht, S. 81, HEcK a. a. O., S. 111
	        
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