Full text: ¬Die Vererbung des ländlichen Grundbesitzes im Königreich Preussen (3)

Die Vererbung des Grundbesitzes. 
vorhandenen Vermögensunterschied und seine Folgen für den Erbgang aus 
zugleichen. 
Auch nach dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches bleiben 
die bisherigen Gesetze für die bis dahin begründeten Güterstände gemäß 
Art. 200 des Einführungsgesetzes bestehen, und zwar für den Güterstand 
einer beim Inkrafttreten bestehenden Ehe nicht bloß für den beim Inkraft 
treten des BGB bestehenden Güterstand einer solchen Ehe.1) 
Nach Art. 45 § 1 des Preußischen Ausführungsgesetzes tritt aber an 
Stelle des landrechtlichen gesetzlichen Güterrechts gemäß Teil II Titel ! 
Abschn. 5 des Landrechts das Recht der Gütertrennung gemäß § 1427—30 
BGB, ebenso nach Art. 46 an Stelle des Güterstandes des Märkischen 
Provinzialrechts. 
Das Erbrecht des märkischen Ehegatten nach der Joachimica wird 
als erbrechtliche Wirkung des Güterstandes angesehen und daher dem über 
lebenden Ehegatten die Wahl zwischen dem Erbrecht der Joachimica und 
dem des BGB gestattet. 
In bezug auf das Intestaterbrecht der Deszendenten ist durch das BGB 
gegenüber dem Landrecht keine Änderung eingetreten, da sie wie bisher 
nach Köpfen oder nach Stämmen zu gleichen Teilen erben. 
Ist der Erblasser vor 1900 verstorben, so bleiben für die erbrechtlichen 
Verhältnisse die bisherigen Gesetze nach Art. 213 des EG maßgebend, und 
zwar auch für solche Vorgänge, die aus dem Erbfalle hervorgehen und sich 
auf ihn beziehen aber erst unter der Herrschaft des BGB erfolgen. 
Umgekehrt ist das letztere maßgebend, wenn der Erblasser erst nach 
seinem Inkrafttreten gestorben ist, soweit nicht Art. 214—217 EG Ausnahmen 
zulassen für Fälle, in denen der Erblasser vor 1900 ein Rechtsgeschäft vor 
genommen hat, das die Erbfolge in seinem Nachlaß beeinflußt. 
Die durch Art. 64 EG zum BGB aufrechterhaltene und nach Art. 218 
der Abänderung durch die Landesgesetzgebung vorbehaltene Landgüterordnung 
für die Provinz Brandenburg vom 10. Juli 1883 hat nur sehr wenig Würzel 
gefaßt, trotzdem in der ganzen Provinz ein Anerbengewohnheitsrecht bei 
dem bäuerlichen Besitz besteht. In sehr vielen Amtsgerichtsbezirken sind 
bisher Eintragungen in die Landgüterrolle überhaupt nicht erfolgt. Die 
Gesamtzahl derselben bis 1894 war 80 und würde noch sehr viel niedriger 
gewesen sein, wenn nicht in einigen, stark unter großstädtischem Einfluß 
stehenden Ortschaften, wie Zossen, eine größere Anzahl von Eintragungen 
erfolgt wäre. Aber von 20 sind auch dort nicht weniger als 5 wieder ge 
löscht worden. Vielfach betreffen die Eintragungen größere Güter, obwohl 
für sie die Güterrolle nicht gerade in erster Linie bestimmt ist, vielfach sind 
sie auch von Landräten und Mitgliedern gesetzgebender Körperschaften „des 
guten Beispiels halber“ beantragt worden. Die Eintragung in die Landgüter 
rolle ist nach der Ansicht des A.-G. Sorau deshalb nicht beliebt, weil der Bezug 
’) HABICHT, Einwirkung des B. G. B. auf zuvor entstandene Rechtsverhältnisse. 
3. Aufl. S. 539. 
Vererbung des ländlichen Grundbesitzes. IX. Brandenburg.
	        
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