Full text: ¬Die Vererbung des ländlichen Grundbesitzes im Königreich Preussen (3)

IX. Provinz Brandenburg. 
Durch drei Ausführungsverordnungen, von denen die vom 9. Januar 1810 
für Pommern und die Marken galt, wurde das Einziehen von Bauerngütern 
unter bestimmten Einschränkungen zugelassen. Von der irrigen historischen 
Voraussetzung ausgehend, daß ursprünglich auch das bäuerliche Land dem Guts 
herrn gehört habe, unterschied man zwischen Bauern alten und neuen 
Bestandes und gewährte den letzten nur schlechtere Rechte. Ähnlich 
wurde im Regulierungsedikt vom 14. September 1811 ein Unterschied 
zwischen erblichen und unerblichen Lassiten gemacht: der erste mußte als 
Entschädigung für die Eigentumsverleihung ein Drittel, der andere aber die 
Hälfte seines Landes an den Grundherrn abtreten. Also gerade der Teil 
der Bauernschaft, der an sich schon schwächer war, wurde besonders stark 
belastet. Noch weiter ging man in der Deklaration vom 29. Mai 1816: die nicht 
spannfähigen Bauern und von den spannfähigen die neuen Bestandes wurden 
überhaupt von der Regulierung ausgeschlossen, zugleich auch der Bauern 
schutz allgemein aufgehoben und somit dem Gutsherrn die Befugnis gegeben, 
den Bauern auszukaufen. 
Damit waren viele Bauern dem Untergange ausgeliefert. Ohnehin 
hatte sich der Bauer vielfach nur schlecht in die neue Freiheit gefunden. 
Unter der Kriegsnot hatte seine Wirtschaft schwer gelitten. Gewohnt in 
solchen Fällen von seinem Gutsherrn unterstützt zu werden, fand er sich 
ratlos auf sich selber angewiesen. In der wohlwollenden Absicht, den 
Bauern nicht zum Schuldenmachen zu verleiten, hatte ihn dieselbe Re 
gierung, die ihm die Freiheit geschenkt hatte, von dem billigen land 
schaftlichen Kredit ausgeschlossen und damit so gut wie kreditlos gemacht, 
während der Großgutsbesitz sich mit Hilfe der Landschaft der Bauerngüter 
bemächtigen konnte. 
Am stärksten war der Abgang der Bauern erklärlicherweise dort, wo sie 
sich schon vorher in kläglicher Lage befunden hatten. Im ganzen haben sie 
in Brandenburg die Krisis verhältnismäßig gut überstanden, der beste Beweis, 
daß ihre Lage hier erträglich gewesen sein muß. In der Zeit von 1816 bis 
1859 gingen hier an spannfähigen Bauernstellen im freien Verkehr ein: 
1421 (= 2,78%), 
an Fläche verloren sie abzüglich der Separationsentschädigung 
203302 Morgen (= 3,61%). 
Davon gingen endgültig an den Großgutsbesitz verloren: 
69 393 Morgen. 
Erhöhtes Interesse gewinnt diese letzte Zahl, wenn man sich vergegen 
wärtigt, wie sie sich auf die einzelnen Kreise verteilt. Zieht man nämlich 
die Verluste derjenigen Kreise zusammen, die bis zum 19. Jahrhundert 
schlechteres bäuerliches Besitzrecht hatten — wir nehmen die Kreise Arns 
walde, Friedeberg, Soldin, Landsberg, Königsberg, Prenzlau, Templin, Anger 
münde, Oberbarnim, Beeskow-Storkow —, so wird man finden, daß allein in 
diesen Kreisen, die insgesamt noch nicht ein Drittel der Gesamtfläche der 
Provinz ausmachen, der Verlust an den Großgutsbesitz allein 
50 002 Morgen,
	        
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