Die Grundbesitzverteilung und ihre historischen Grundlagen.
sie den Schutz der Gutsherrschaft als Obrigkeit in Anspruch nahmen, waren
sie auch deren Gerichtsbarkeit und Polizeigewalt unterworfen, und ihre
Kinder zum Zwangsgesindedienst verpflichtet.*)
V. Die Reform.
In der zweiten Hälfte und besonders gegen Ende des 18. Jahrhunderts
vollzieht sich ein gewaltiger Umschwung in der deutschen Landwirtschaft. Ihr
Wesen und ihre Betriebsformen ändern sich. Futterbau, Fruchtwechsel und
Hackfruchtbau stellen die Landwirtschaft vor neue Aufgaben und führen zu
einer Intensivierung der Agrikultur, die die Erträge steigert, verdoppelt, ja ver
vielfacht. Von jeher hatte die Landwirtschaft für den Markt produziert, und
Großbetriebe hatte es in Östdeutschland schon seit Jahrhunderten gegeben;
aber die Wirtschaft hatte doch immer den Charakter einer erweiterten Haus
haltung, etwas „Hausväterliches“ gehabt und in dieser Hinsicht der guts
herrliche von dem bäuerlichen Betriebe sich seinem Wesen nach nicht so sehr
stark unterschieden. Das wird nun anders. „Rationelle Wirtschaftsführung“
und „möglichst hoher Reinertrag“ werden der Zweck der Wirtschaftsführung.
Gemengelage, Flurzwang, Gemeinweide werden als lästige Fesseln empfunden.
Ein Reformeifer, der die ganze bisherige Agrarverfassung revolutioniert, zeigt
sich an allen Ecken und Enden.* 2)
Zugleich gingen die Preise für Getreide und landwirtschaftliche Produkte
in die Höhe. Und wie im 16. Jahrhundert so hatte auch jetzt die neue
wirtschaftliche Konjunktur die Wirkung, daß sie vor allem den kräftigte,
der schon vorher stark war, den größern Rittergutsbesitzer. Der konnte
sich die Fortschritte der Technik zuerst nutzbar machen, und während es
Friedrich dem Großen, der in dieser ganzen Bewegung der führende Geist
war, nicht gelingen wollte, die Bauern zu Wirtschaftsreformen zu veranlassen,
bei ihnen die Separation und Aufhebung der Gemeinheiten durchzuführen,
erfaßte der Gutsbesitzer schneller die Vorteile der Zusammenlegung, und
vielfach ist es ihm schon damals geglückt, sein Land aus der Dorfflur heraus
zuziehen und in zusammen hängenden Komplexen von dem Flurzwang zu be
freien. Natürlich suchte er sich auch zu vergrößern, ein Bestreben, das
durch die neu gegründeten landschaftlichen Kreditinstitute gefördert wurde.3)
Doch vollzog sich diesmal die Erweiterung des Gutsareals nicht so sehr auf
Kosten des Bauernlandes, als wie des kleineren freien Besitzes. Damals wurden
Lehnschulzenhöfe vielfach ausgekauft, vor allem aber ging der ganz kleine
ritterschaftliche Besitz, von dem ja noch im 18. Jahrhundert erhebliche Reste
vorhanden waren, unter. Der Zustand, daß in einem Dorfe mehrere adlige
Güter lagen, hörte jetzt meistens auf und findet sich heute in größerer Ver
*) Vgl. NEUMANN, a. a. O. S. 24 ff.; LEONHARDI, a. a. O. S. 43 f.
2) Vgl. SKALWEIT, Acta Borussica, Getreidehandelspolitik III. Teil I.
3) Vgl. MAUER, Das landschaftliche Kreditwesen Preußens. und Forsch. zur Branden
burgisch. und Preuß. Gesch. XXII, S. 298—301.