Full text: ¬Die Vererbung des ländlichen Grundbesitzes im Königreich Preussen (3)

Wirtschaftliche und soziale Wirkungen der bestehenden Erbgewohnheiten. 145 
einzelner Käufer die Acker wieder an sich zu nehmen und das Spiel von 
neuem zu beginnen“ *) 
Es wird sich demnach nicht in Abrede stellen lassen, dass im Real 
teilungsgebiet durch die „sinnlose Wut“ 2), Land zu kaufen oder zu pachten, 
die Preise auf eine übermässige Höhe getrieben werden, bei der eine an 
gemessene Verzinsung des Bodenkapitals ausgeschlossen ist. Diese Folge 
erscheinung mag für solche Kleinbesitzer, welche in einer anderen 
Berufsthätigkeit eine lohnende Erwerbsquelle besitzen, minder bedenk 
lich sein; für sie handelt es sich nicht um Erzielung eines rechnungs 
mässigen Reinertrags, sondern um die Verwertung von sonst brach 
liegenden Teilen der Arbeitskraft ihrer selbst und ihrer Angehörigen, 
sowie um die Gewinnung von Lebensmitteln für den eigenen Gebrauch. 
Sie brauchen ihre Arbeitskraft nicht in Anrechnung zu bringen, und in 
folgedessen gestaltet sich trotz der hohen Preise für sie die Ausnutzung 
des Bodens noch vorteilhaft. Wenn dieselben freilich, wie nicht selten, 
mit ungenügenden Mitteln kaufen und in die Schlingen eines Wucherers 
geraten, dann ist häufig auch ihr Ruin besiegelt. Weit verhängnisvoller 
ist von vornherein die anormale Höhe der Bodenpreise für die vom landwirt 
schaftlichen Betrieb ausschliesslich lebenden Besitzer. Da ihnen keine andere 
Einnahmequelle zur Verfügung steht, müssen sie auf Erzielung eines ange 
messenen Reinertrags aus ihrer Wirtschaft sehen. Bei der Höhe der Grund 
stückspreise wird die Gewinnung eines dem Kapitalwert und der Schulden 
last entsprechenden Überschusses jedoch fast ganz unmöglich gemacht, und 
daher bildet der Landerwerb dort in der That eine häufige Ursache zu 
starker Belastung mit Schulden. 
3. Einfluss der Realteilung auf die Verschuldung. 
Die durch die gegenwärtige Gestaltung des Erbüberganges in den 
Gebieten der Realteilung hervorgerufene Verschuldung ist durch allgemeine 
statistische Daten schwer erweisbar, da in kleinbäuerlichen Kreisen an 
Stelle des leichter erkennbaren Hypothekarkredits der nur schwer er 
fassbare Personalkredit im grossen Umfang zu treten pflegt. Selbst 
die Veranlagungen zur Ergänzungssteuer können keine hinreichende Auskunft 
geben, da nicht selten im Interesse des Kredits oder auf Wunsch der 
Gläubiger Schuldverpflichtungen verschwiegen werden. Bei einer Ver 
gleichung mit den Gebieten geschlossener Vererbung darf ferner nicht ver 
gessen werden, dass kleinbäuerliche Güter ohne Nebenerwerb eine ge 
ringere Verschuldungsfähigkeit als grossbäuerliche Wirtschaften besitzen; 
von einem absolut grösseren Ertrage lässt sich eben leichter die Hälfte 
oder ein Viertel als Schuldzinsen abführen, als von einem geringeren. 
Eine umfassende, allerdings ältere Erhebung über den Umfang hypo 
’) Jahresbericht für 1888. S. 4. 
*) Schrift d. Vrs. fr. Sozialpolitik. Bd. 54. Ländliche Arbeiterverhältnisse (Prov. 
Sachsen). S. 497. 
Vererbung des ländlichen Grundbesitzes. VIII. Sachsen,
	        
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