Full text: ¬Die Vererbung des ländlichen Grundbesitzes im Königreich Preussen (3)

VIII. Provinz Sachsen. 
Vertrage die abgebenden Eltern, der annehmende Sohn, die Eltern der 
Braut und diese selbst teil. Es wurde der Altenteilsvertrag geschlossen, 
der Sohn erhielt den Hof unter Bedingungen, bei denen er bestehen 
konnte. Seinen Geschwistern wurden Abfindungen und in Naturalien das 
Hochzeitteil überwiesen, was er Alles zu leisten und zu zahlen übernahm. 
Die Geschwister blieben im Hofe, halfen in der Arbeit, wurden dafür er 
nährt, erhielten aber keine Zinsen ihrer Abfindung und diese selbst mit 
dem Hochzeitteile erst, wenn sie sich verheirateten, die ersteren auch 
wohl, wenn sie sich etablierten. Verheirateten sie sich nicht, so fiel das 
Hochzeitteil unbedingt in den Hof und an den Wirt zurück, vielleicht auch 
nach Art der Abrede die Abfindung, sie wurden dann aber gegen Arbeits 
hilfe auch lebenslänglich verpflegt“*). Gleichzeitig mit dem Altenteilsvertrag 
wurde nun zwischen den Verlobten, bezw. den jungen Eheleuten eine Ehe 
stiftung geschlossen, deren wesentlicher Inhalt die gegenseitige Erbeinsetzung 
der Ehegatten war, mochten Kinder aus der Ehe hervorgehen oder nicht. 
Damit war für den Fall kinderloser Ehe der Erbanspruch des überlebenden 
parens gewährleistet, und bei beerbter Ehe die Erhaltung des Hofes in der 
Familie gesichert. Waren eben grossjährige Kinder vorhanden, so lag es 
nunmehr in der Hand des Überlebenden, den Hof durch Altenteilsvertrag 
zu übergeben, und bei Minderjährigkeit der Kinder bewirkte die Interims 
wirtschaft im Falle einer Wiederverheiratung der Witwe die Erhaltung des 
Hofes in der Familie. 
Fragen wir rückblickend nach den wesentlichsten Ursachen für die 
verschiedene Ausprägung der Erbsitten in der Provinz Sachsen, so er 
scheinen als ausschlaggebend zunächst die natürlichen und wirtschaft 
lichen Produktionsbedingungen. Die Gunst des Klimas, die Er 
giebigkeit des Bodens, gute Absatzverhältnisse, hohe Bevölkerungsdichte 
waren es, die in den Thalgebieten Thüringens zur Auflösung der ge 
schlossenen Hufengüter und zur Einbürgerung der Realteilung im Erbgange 
führten, als der Ausbau des Landes seinen Abschluss erreicht hatte. Diese 
Entwickelung vollzog sich, obwohl die grundherrlichen Obereigentümer 
durchaus das Recht gehabt hätten, die Teilung zu inhibieren. Sie be 
quemten sich indes jener Wandlung an, weil unter den bezeichneten Voraus 
setzungen die Realteilung ihr Interesse nicht schädigte, ja durch Ver 
mehrung der Besitzwechselabgaben, z. T. auch durch Steigerung der Boden 
zinse die grundherrlichen Einnahmen zu erhöhen geeignet war. Aus der 
s0 entstandenen Praxis wird für die durch historische Entwickelung, 
Gemeinsamkeit des Rechtes, der Gewohnheiten verbundenen Glieder des 
thüringischen Stammes eine Sitte, welche der Einzelne instinktiv, ohne 
verstandesmässige Überlegung befolgt. Daraus erklärt es sich, dass die 
Realteilung auch in den Berggebieten des Thüringer Waldes, des Eichs 
feldes ihren Einzug hält, obwohl sie dort im Widerspruch mit den natur 
lichen Produktionsbedingungen der Landwirtschaft steht. Hausindustrie 
*) GOETZE: a. à. O., S. 29.
	        
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