Full text: Lehrbuch des deutschen Civilprozessrechts ([Hauptbd.])

870 IV. Zusammenh. Rechtsschutzinteressen. § 156. Streitgenossenschaft. 
erhält dem Streitgenossen seine prozessualen Vorteile trotz der 
Thätigkeit des andern. So begründet Verzicht, Anerkenntnis, Ver 
gleich des einen Genossen die Beendigung des Streits nur gegen 
diesen, — das Geständnis stellt die Thatsache nur gegenüber dem 
Gestehenden aufser Streit, während dieselbe Thatsache dem Nicht 
gestehenden gegenüber bewiesen werden muls. 
2. Die Entscheidung wird nicht notwendig als einheitliche 
Entscheidung erlassen. Auch hier gelten § 272. 273, wonach so 
wohl nach gemeinsamer Klagerhebung wie nach Zusammenlegung 
getrennter Prozesse eine Trennung der Entscheidung stattfinden 
kann, wenn der eine Anspruch vor dem andern spruchreif wird'. 
Und ferner kann auch im Fall der Streitgenossenschaft das Ge 
richt die gemeinsam eingeklagten Ansprüche schon während der 
Verhandlung in getrennte Prozesse verweisen (§ 136, 1) oder die 
beschlossene Zusammenlegung nachträglich wieder aufheben (§ 141). 
Die Durchführung des Grundsatzes § 58, wonach die Streit 
genossenschaft zu verschiedenen und selbst zu widersprechenden 
Urteilen im gleichen Prozefs führen kann, ist aber mit gewissen 
Einzelfällen nicht verträglich, in denen durch spezielle civil- oder 
prozefsrechtliche Vorschrift der Erlafs ungleichartiger Entschei 
dungen über zusammenhängende Rechtsschutzinteressen ausge 
schlossen sein soll, und die C.P.O. hat demgemäfs den § 58 nur 
soweit in Kraft gesetzt, als nicht aus den Vorschriften des bürger 
lichen Rechts oder dieses Gesetzes sich ein anderes ergiebt. 
Die besonders behandelten Fälle sind nach dem unklaren Aus 
druck des § 59 diejenigen, in welchen „das streitige Rechts 
verhältnis aller Streitgenossen nur einheitlich festgestellt werden 
kann oder in welchen „die Streitgenossenschaft aus einem sönstigen 
Grunde eine notwendige“ ist2. Das Gesetz meint: 
mit dem ersten Fall diejenigen Rechtsbeziehungen, in 
welchen kraft Ausnahmerechtssatzes die Rechtskraft des von einer 
Person erstrittenen (günstigen oder ungünstigen) Urteils ohne 
weiteres auch auf das Rechtsverhältnis eines Dritten wirkt, — wo 
also das Prinzip der Beschränkung der Rechtskraft auf die Par 
teien durchbrochen wird. Diese Ausnahmevorschriften, die früher 
zusammengestellt wurden (oben S. 843), — z. B. die Erstreckung 
der Rechtskraft eines Urteils des Miteigentümers im Servitutprozels, 
eines Urteils des Konkursgläubigers, der dem anmeldenden Gläubiger 
die Forderung bestreitet, auf die übrigen Gläubiger2 u. s. w. 
erzielen den eigentümlichen Erfolg, dafs in solchen zusammen 
1 Der Unterschied, der durch § 273, Abs. 2 begründet wird (vgl. oben S. 862), gilt 
auch hier. 
2 Dafs § 59 an den Vorbehalt des § 58 anknüpft, also auf civilrechtliche Vor 
schriften verweist (soweit nicht das Prozefsrecht selbst derartige Vorschriften aufstellt), 
ergiebt sich aus Nordd. E. § 95, wo dies ausdrücklich ausgesprochen war, — vgl. mit Mot. 
zum Deutschen E. S. 82. Vgl. Weismann, Hauptint. 100 A. 4. 
3 R.G. 5, 413. — Ebenso C.P.O. § 753.
	        
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