Full text: Lehrbuch des deutschen Civilprozessrechts ([Hauptbd.])

Inzidentklage. 
863 
§ 155. Die Inzidentklage und die rechtsverfolgende 
Einrede. 
Zu II (Rechtshäng. der Komp.Einr.): Petersen, Z. 1, 93 (1879), 4, 293 (1882). 
Gruch. Beitr. 
30, 1. 31, 535. Schollmeyer, die Kompensationseinrede, 1884, und Beitr. 31, 226 (1887), 
Osann, Beitr. zur Beh. der Kompens. Einrede, 1885. Lippmann, Begr. der Rechtsh, durch 
Kompens.Einr., Z. 13, 81 (1889). 
1. (Inzidentklage.) Eine besonders erleichterte Behand 
lung zusammenhängender Ansprüche gestattet das Gesetz für die 
Fälle, wo im Laufe des Prozesses zweier Parteien ein Rechts 
verhältnis streitig wird, „von dessen Bestehen oder Nichtbestehen 
die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt 
(§ 253). Die Gestaltung ergiebt sich, wenn der den Urteils 
gegenstand bildende Anspruch durch den im Laufe des Prozesses 
streitig werdenden bedingt ist, — wenn der letztere für den 
Klaganspruch bedingend, präjudiziell, ein Präjudizialanspruch 
oder Inzidentanspruch ist, sei es, dafs er, vom Kläger gel 
tend gemacht, eine notwendige Vorbedingung für die Existenz des 
Klaganspruchs ist (wie das Eigentum des Klägers am angeblich 
herrschenden Grundstück die Bedingung der Grunddienstbarkeit), 
sei es, dals er, vom Gegner behauptet, das Unwirksamwerden des 
Klaganspruchs nach sich zieht (wie die Kompensationsforderung 
das der Klagforderung, das zur Retention geltend gemachte Niefs 
brauchsrecht das des Eigentumsrechts)'. Wird ein solcher An 
spruch behauptet, der — obwohl im Prozefs nur ein Grund für die 
Entscheidung des Klaganspruchs — doch ein selbständiges Rechts 
verhältnis ist, so kann „der Kläger durch Erweiterung des Klag 
antrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage bean 
tragen“, dafs derselbe (innerhalb des Hauptprozesses) „durch richter 
liche Entscheidung festgestellt werde“ (§ 253). Es erwächst also 
aus der genannten Sachlage ein eigenartiger Fall der Verbindung 
mehrerer selbständiger Rechtsschutzinteressen im gemeinsamen 
Prozels. Der Antrag des Klägers oder Beklagten auf Feststellung 
stellt eine neue Klagerhebung im Prozesse dar, eine sog. 
Inzidentfeststellungsklage oder -widerklage (auch Präjudizial 
inzidentklage oder -widerklage genannt) und zwar eine Klage. 
deren Rechtshängigkeit mit der Geltendmachung in der münd 
lichen Verhandlung eintritt (§ 254), die also der prozessualen Form 
nach der Widerklage und den Fällen der „Erweiterung des Klag 
antrags“ (mit andern Worten den Fällen der erlaubten Erhöhung, 
Herabsetzung oder Verwandlung der geforderten Leistung im Sinne 
des § 240 nr. 2. 3, — oben S. 850) gleichbehandelt wird. (Vgl. 
im übrigen oben S. 534.) 
Die Zuständigkeit der Inzidentklage bestimmt sich an und für sich nach 
der der Hauptklage, wie bei der Erhebung der Widerklage (nach § 33) oder 
bei der Erweiterung des Klagantrags (§ 240 n. 2. 3). Für alle drei Fälle 
wird aber vom Gesetz dafür gesorgt, dafs hieraus keine Unzuträglichkeiten 
erwachsen. 
1 Weitere Beispiele oben S. 585.
	        
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