Inzidentklage.
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§ 155. Die Inzidentklage und die rechtsverfolgende
Einrede.
Zu II (Rechtshäng. der Komp.Einr.): Petersen, Z. 1, 93 (1879), 4, 293 (1882).
Gruch. Beitr.
30, 1. 31, 535. Schollmeyer, die Kompensationseinrede, 1884, und Beitr. 31, 226 (1887),
Osann, Beitr. zur Beh. der Kompens. Einrede, 1885. Lippmann, Begr. der Rechtsh, durch
Kompens.Einr., Z. 13, 81 (1889).
1. (Inzidentklage.) Eine besonders erleichterte Behand
lung zusammenhängender Ansprüche gestattet das Gesetz für die
Fälle, wo im Laufe des Prozesses zweier Parteien ein Rechts
verhältnis streitig wird, „von dessen Bestehen oder Nichtbestehen
die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt
(§ 253). Die Gestaltung ergiebt sich, wenn der den Urteils
gegenstand bildende Anspruch durch den im Laufe des Prozesses
streitig werdenden bedingt ist, — wenn der letztere für den
Klaganspruch bedingend, präjudiziell, ein Präjudizialanspruch
oder Inzidentanspruch ist, sei es, dafs er, vom Kläger gel
tend gemacht, eine notwendige Vorbedingung für die Existenz des
Klaganspruchs ist (wie das Eigentum des Klägers am angeblich
herrschenden Grundstück die Bedingung der Grunddienstbarkeit),
sei es, dals er, vom Gegner behauptet, das Unwirksamwerden des
Klaganspruchs nach sich zieht (wie die Kompensationsforderung
das der Klagforderung, das zur Retention geltend gemachte Niefs
brauchsrecht das des Eigentumsrechts)'. Wird ein solcher An
spruch behauptet, der — obwohl im Prozefs nur ein Grund für die
Entscheidung des Klaganspruchs — doch ein selbständiges Rechts
verhältnis ist, so kann „der Kläger durch Erweiterung des Klag
antrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage bean
tragen“, dafs derselbe (innerhalb des Hauptprozesses) „durch richter
liche Entscheidung festgestellt werde“ (§ 253). Es erwächst also
aus der genannten Sachlage ein eigenartiger Fall der Verbindung
mehrerer selbständiger Rechtsschutzinteressen im gemeinsamen
Prozels. Der Antrag des Klägers oder Beklagten auf Feststellung
stellt eine neue Klagerhebung im Prozesse dar, eine sog.
Inzidentfeststellungsklage oder -widerklage (auch Präjudizial
inzidentklage oder -widerklage genannt) und zwar eine Klage.
deren Rechtshängigkeit mit der Geltendmachung in der münd
lichen Verhandlung eintritt (§ 254), die also der prozessualen Form
nach der Widerklage und den Fällen der „Erweiterung des Klag
antrags“ (mit andern Worten den Fällen der erlaubten Erhöhung,
Herabsetzung oder Verwandlung der geforderten Leistung im Sinne
des § 240 nr. 2. 3, — oben S. 850) gleichbehandelt wird. (Vgl.
im übrigen oben S. 534.)
Die Zuständigkeit der Inzidentklage bestimmt sich an und für sich nach
der der Hauptklage, wie bei der Erhebung der Widerklage (nach § 33) oder
bei der Erweiterung des Klagantrags (§ 240 n. 2. 3). Für alle drei Fälle
wird aber vom Gesetz dafür gesorgt, dafs hieraus keine Unzuträglichkeiten
erwachsen.
1 Weitere Beispiele oben S. 585.