Summarische Prozesse. Rezeption,
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beweisen und den Vollstreckungserfolg rückgängig machen kann, oder der
Gläubiger führt mittels simplex citatio einen zweiseitigen processus executivus
herbei, in welchem der Schuldner nur die schleunig beweisbaren Ein
reden vorschützen darf, eine summaria cognitio, prima facie-Kognition gilt.
das weitere dem ordinarium vorbehalten wird (Anfänge des Exekutiv- oder
Urkundenprozesses)
3. Entsprechend dem Verfahren mit indiculus commonitorius (s. o. S. 50)
werden richterliche mandata de solvendo cum clausula iustificativa erlassen,
d. h. bedingte Vollstreckungsgebote, richterliche Befehle an den angeblichen
Schuldner des Antragstellers, entweder diesen klaglos zu stellen oder sich
im ordentlichen Prozefs gegen die Anspruchsbehauptung zu verteidigen, mit der
Wirkung, dafs bei Unterbleiben des Widerspruchs der Gl. sofort die Voll
streckung betreiben darf. (Anfänge des bedingten Mandatprozesses oder
Mahnverfahrens 2.)
Andrerseits bilden sich innerhalb des ordentlichen Prozesses neben der
Leistungsklage jetzt die Wurzeln der Feststellungsklage aus (o. S. 17)3.
§ 12. Die Rezeption des italienischen Rechts und seine Um
bildung zum gemeinen deutschen Prozefsrecht.
Auch über diesen Vorgang fehlt eine zusammenfassende Darstellung. Über wichtige
Episoden Wetzell § 71.
Über die juristische Litteratur dieser Periode: Stintzing, Gesch. d. populären Litteratur
des röm.-kanon. Rechts in Deutschland, 1867, u. Gesch. der deutschen Rechtswissenschaft 1.
1880. Über die Partikulargesetzgebung: Kleinfeller, Deutsche Partikulargesetzgebung
seit d. Rez. bis 18. Jahrhundert, 1889.
1. (Rezeption und Kammergerichtsprozefs.) In
Deutschland beginnt seit dem 14. Jahrhundert dieselbe Verfeinerung
des Privatrechtsverkehrs, die schon in Italien das Bedürfnis nach
technischer Vervollkommnung des civilprozessualen Rechtsschutzes
geweckt hatte. Aber in Deutschland fehlt es nicht nur an einem
staatlichen Centrum, welches die Ausbildung eines neuen Prozefs
rechts in Form einer einheitlichen geschriebenen Rechtsquelle über
nehmen kann, sondern es entbehrt auch einer geistigen Macht,
die wie der theoretische und praktische Juristenstand Italiens be
fähigt wäre, dieses neue Recht mittels litterarischer Bearbeitung
und gerichtlicher Praxis aus dem überkommenen nationalen
Recht heraus selbständig zu gestalten; denn das Rechtsstudium
und das rechtsgelehrte Beamtenrichtertum breiten sich wegen der
geringeren Bildung des Volks und des beschränkten Wohlstands
der deutschen Territorien nur langsam aus. So sind die letzteren
darauf angewiesen, in Ermangelung eines eignen Rechts mit dem
italienischen Privatrecht auch das italienische Prozefsrecht zu
rezipieren, es in der Praxis anzuwenden und im Laufe der Zeit
auch den partikulären und Reichsgesetzgebungsarbeiten zu Grunde
zu legen. Diese „Rezeption des römischen Rechts“ vollzieht sich
Über das spätere pactum executivum Wach a. a. O. 55 ff. Die epochemachende
Darlegung der Entwicklung der Guarentigiaturkunde aus dem Scheinprozefs bei Brieg
1eb, Geschichte des Exekutivprozesses, 1839 (s. oben S. 30). Die Stuten dieser Entwick
lung sind 1. Aufnahme der Urkunde durch den Prozefsrichter mit praeceptum de solvende
desselben als Folge der confessio in iure (unter Berufung auf 1. un. C. de conf. 7, 59),
2. Übertragung des simulierten Prozesses als eines blofs formalen Urkundsakts an den
Notar als judex cartularius. 3. Erteilung der Vollstreckbarkeit an die urkundliche Form
des Anspruchs, auch wenn das praeceptum fehlt. (Dazu jetzt Ficker, Forsch, I. 37.
Kohler, über ex. Urk., 1887.
* Unters. der histor. Zusammenhänge durch Skedl, Das Mahnverfahren, 1891.
5 Weismann, die Feststellungsklage, 1879.
5*