Schriftlichkeitsprincip. Eventualprinzip.
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f) Die Fürsorge für die Vollstreckung hat wiederum der
Richter, der dieselbe mit einem besondern praeceptum de solvendo
einleitet und hierauf die erforderlichen Zwangsmassregeln (Weg
nahme der Sache, Pfändung) durch von ihm im Einzelfall in
struierte Gerichtsdiener (executores) vornehmen lälst.
III. (Prozessbeschleunigung.) Obwohl an sich vernünf
tigen Erwägungen entsprungen, ist die künstliche Gliederung des Ver
fahrens in Prozefseinleitung, Prüfung und Prozefsschlufs, die Ver
teilung der Prüfungsthätigkeiten in Termine, die Protokollierung
aller Vorgänge des Verfahrens doch geeignet, das Interesse an der
Schleunigkeit des Rechtsschutzes empfindlich zu beeinträchtigen
und der Prozefsverschleppung durch Trägheit des Gerichts
oder Böswillen des Gegners Vorschub zu leisten. Besonders unheilvoll
wirkt die Unerläfslichkeit der Litiskontestation, durch deren Ver
weigerung der Beklagte dem Kläger die Erstreitung eines Urteils in
der Sache unmöglich machen kann (oben S. 62); desgleichen die
Menge der Termine, die ins Zahllose wachsen können, falls nur der
Beklagte nach Ablauf des ersten Positionen-, Artikel-, Beweistermins
eine neue Einwendung vorbringt oder die Beweismittel (z. B. die
Glaubwürdigkeit der Zeugen) angreift und hierüber neue Verhand
lung verlangt. Schon während der Ausbildung des neuen Verfahrens,
entschieden seit dem Ende des 13. Jahrhunderts, macht sich des
halb in Praxis und Gesetzgebung das Bestreben geltend, in Er
gänzung der Gründlichkeitsgarantien auch bindende Malsregeln
der Prozefsbeschleunigung zu schaffen.
a) Innerhalb des normalen Rechtsstreits wird eine künstliche
Zusammendrängung der Prüfungsthätigkeiten als Korrektiv
gegen die Reihenfolge unternommen. Sie wird zunächst durch die
Forderung bewirkt, dafs der Kläger die zur Begründung seines An
spruchs dienenden Thatbestände (z. B. Ersitzung und Tradition
bei der Eigentumsklage) schon in der Klagschrift gemeinsam
geltend machen mufs, selbst wenn der zweite erst nach Wegfall
des ersten von Bedeutung wird — entsprechend gegenüber dem
Beklagten durch die Ansetzung eines peremtorischen, pra
klusivischen, d. h. die Nachbringung neuer Beweise ausschlielsenden
Beweistermins, welche den Beklagten nötigt, seine Beweisantretungen
und demgemäfs auch seine Verteidigungsgründe ebenfalls von vorn
herein gemeinsam vorzunehmen, damit er bei Ergebnislosigkeit des
einen (der Zahlungseinrede) sich des andern (der Verjährungs
einrede) noch bedienen könne, — beides ein Zwang zur Voraus
nahme der nur möglicherweise (in eventum, eventuell) be
deutsamen Angriffs- und Verteidigungsmittel (Anfänge der
Eventualmaxime)'. In der gleichen Richtung arbeitet eine
1 Allerdings treten diese Grundsätze in Italien nur partikulär in den Statuten
auf; hier aber sind sie bereits voll und sogar radikal entwickelt (erwiesen von Wach
Arrestprozefs 194 f.). Die gemeinrechtliche Doktrin und Praxis hat sie nicht unum
schränkt anerkannt, macht jedoch bereits energische Versuche zu ihrer Aufnahme, be
sonders des peremtorischen Beweistermins (Rich. Schmidt, Klagänderung 79).
Richard Schmidt, Lehrbuch des Civilprozelsrechts.