Full text: Lehrbuch des deutschen Civilprozessrechts ([Hauptbd.])

Wirkung der Prozefsmängel im Versäumnisverfahren. 
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Dabei entwickelt sich das Verfahren in den einzelnen Fällen noch ver 
schieden : 
a) Solange sich die Prozefsvoraussetzungen der Prozefsfähigkeit und des 
Vertretungsrechts als ungewifs darstellen, kann zwar das Gericht die mög 
licherw. prozelsfähige Partei oder den angeblichen Vertretungsberechtigten zu 
lassen; aber immerhin hat schon hier das Gericht im Zweifel ex officio den 
Beweis, bezw. die Genehmigung zu fordern und durch Bestimmung einer Frist 
auf die Beibringung zu drängen; erst nach Ablauf dieser Frist ist zu ent 
scheiden. Auch hierin liegt ein Unterschied gegenüber der Behandlung der 
rügbaren Prozefsmängel. Änders nur im Fall der Vertretung durch Anwälte 
im Anwaltsprozefs. Argo. § 84, 2 hat hier das Gericht den Mangel der Voll 
macht überhaupt nicht „von Amtswegen zu berücksichtigen“. Der Rechts 
anwalt kann also solange für die Partei prozessieren, als der Gegner es rügt 
(wie in den Fällen oben S. 806), und es zeigt sich deshalb in diesem Fall 
der Gegensatz zu den rügbaren Prozefsmängeln nur dann, wenn bereits der 
Mangel gewiss geworden ist1. 
b) Ist der Mangel der Prozefsfähigkeit oder des Vertretungsrechts gewiss 
geworden (durch Zugeständnis des Vertreters, dafs er nicht beweisen könne, 
durch thatsächliche Beweislosigkeit nach Ablauf der Frist etc.), so hat das 
Gericht in jedem Fall von Amtswegen den Mangel zu beachten (auch den 
Mangel der Anwaltsvollmacht). Es hat hier also die normale Rechtsfolge ein 
zutreten, d. h. es ist die Klage, die von einer prozessunfähigen Partei oder 
einer nicht zur Vertretung berechtigten für die Partei erhoben worden ist 
oder die gegen eine prozefsunfähige Partei erhoben worden, durch Endurteil 
abzuweisen. Allerdings ergiebt sich hieraus die Konsequenz der Klag 
abweisung einer Partei, die unter Umständen von dem auf ihren Namen ge 
führten Prozels nie etwas erfahren hat; dies wäre an sich unbedenklich, 
wenn nur eine Kostenverurteilung der Partei vermieden werden könnte 2 
3. Umgekehrt nähern sich gewisse an sich nur auf Partei 
rüge beachtliche Mängel, nämlich die Gründe der Befangenheit 
des Richters, den Nichtigkeitsgründen dadurch an, dafs nicht nur 
jede Partei (nicht nur der Beklagte), sondern auch der von dem 
Mangel betroffene Richter selbst auf ihn aufmerksam machen 
kann (§ 48; ob. S. 179). Gleichwohl ist eine Offizialberücksichtigung 
durch das Gericht (d. h. das Kollegium) nicht vom Gesetz gewollt. 
II. (Die Wirkung der Prozefsmängel im Versäumnis 
verfahren.) Im Versäumnisfall wird der Kreis, in dem sich die 
richterliche Prüfung der Prozefsvoraussetzungen bewegt, dadurch 
verengt, dafs bei Ausbleiben des Beklagten die Möglichkeit weg 
fällt, alle diejenigen Prozefsmängel geltend zu machen, welche einen 
Das Erfordernis der Rüge bedeutet m. a. W. hier ausnahmsw. nicht, dass der 
Mangel der Vollmacht des Anwalts ein blosser Anfechtungsgrund sei. Die Beschrän 
kung der Öffizialberücksichtigung erklärt sich vielmehr nur als eine durch den halboffi 
ziellen Charakter des Anwalts begründete Präsumtion für das Bestehen der Vollmacht. 
2 Jedenfalls könnte hier nur durch pos. Ausnahmevorschrift geholfen werden. Der 
Vorschlag, dafs in solchem Fall der falsus procurator abzuweisen und in die Kosten zu 
verurteilen sei (Wach I, 603 n. 22), ist willkürlich und ohne gesetzliche Unterlage. Dem 
gemäss ist es misslich, dafs das Gesetz hierzu eine Handhabe nicht bietet. Nach 
der Vorschrift der C.P.O. § 87 mufs auch hier die Partei in die Kosten verurteilt werden 
(die nach § 85 dem negotiorum gestor aufzuerlegende cautio pro expensis ist nur eine Ab 
schwächung, keine Aufhebung des Prinzips, — ebenso Gaupp § 54 u. A.). 
Auf vollkommner Unklarheit über die prozessuale Lage beruht die Ansch. der Mot. 
zu § 85 (S. 110) — unterstützt von v. Amsberg in der Just.Komm. (Prot. 24), dafs die 
Partei, auf deren Namen von einem unberechtigten Vertreter Klage erhoben worden sei, 
als nicht erschienen zu behandeln und gegen sie Versäumnisurteil zu erlassen sei. (Der 
Abg. Gaupp wies schon damals auf die Notwendigkeit einer gesetzlichen Vorschrift hin, 
Prot. 527).
	        
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