Full text: Lehrbuch des deutschen Civilprozessrechts ([Hauptbd.])

796 IV. Prozefsvoraussetzungen. § 141. Bedeutung der Prozelsvoraussetz. 
den ordentlichen Prozefs erster Instanz, für die Berufungs- oder 
Revisionsinstanz, für das summarische Verfahren des Urkunden 
prozesses, das Mahnverfahren, für das Vollstreckungsverfahren 
nach Form und sonstigen Bedingungen (Frist, Anwaltszwang etc.) 
durchaus verschieden sind, unterstehen die Prozelsvoraussetzungen 
im wesentlichen überall denselben Grundsätzen. Thatsächlich zwar 
werden sie schon in den Oberinstanzen in mancher Beziehung 
anders behandelt als in der Unterinstanz, und vor allem spielen 
sie innerhalb der beschränkten Prüfung des Vollstreckungsverfahrens 
eine geringere Rolle als im Rechtsstreit (Urteilsverfahren). So 
müssen auch hinsichtlich der Prozefsvoraussetzungen die ver 
schiedenen Abschnitte des Prozesses getrennt ins Äuge gefalst 
werden (vgl. unten § 142 mit § 147 u. 149). Aber das kann daran 
nichts ändern, dafs der vollstreckungsbetreibende Gläubiger, wenn 
er bei Vollstreckungsgericht oder Gerichtsvollzieher den Exekutions 
antrag stellt, hierbei im Prinzip ganz in demselben Sinne an die 
Wahrung der Prozefsvoraussetzungen gebunden ist wie der Kläger, 
wenn er in erster Instanz durch die Klage beim erkennenden Ge 
richt Urteil erbittet, oder der Berufungs- oder Revisionskläger, 
wenn er beim Obergericht Rechtsmittel einlegt. Das öffentlich 
rechtliche Verhältnis, kraft dessen das Rechtsschutzorgan ver 
pflichtet ist, sich über den Rechtsschutzantrag schlüssig zu machen, 
und die aufserprozessualen Umstände, von denen dies abhängt, ist 
eine die gesamten Formen des prozessualen Rechtsschutzes durch 
ziehende Erscheinung, gleichviel ob das Organ urteilendes oder 
sonst entscheidendes Gericht, Vollstreckungsgericht oder Gerichts 
vollzieher ist. 
Diese Kennzeichnung des im Prozefszustand verkörperten Rechtsverhält 
nisses soll nach verbreiteter Meinung einer Vervollständigung hinsichtlich der 
Rechtsstellung des Gerichtsvollziehers bedürfen. Allerdings wird all 
gemein zugegeben, dafs auch dieser in erster Linie staatlicher Beamter ist 
und kraft seiner Anstellung innerhalb der vom öffentlichen Recht gezognen 
Schranken und Befugnisse thätig wird. Aufserdem aber soll angeblich die 
C.P.O., wonach der Gerichtsvollzieher seine Vollstreckungsakte „im Auftrage 
des Gläubigers zu bewirken“ hat (§ 674, 1), hierdurch und durch andre Vor 
schriften ein Vertragsverhältnis zwischen dem Gläubiger und dem Ge 
richtsvollzieher im streng juristischen Sinn des Auftrags-, Mandats 
vertrags begründet haben. Wäre dies der Fall, so würde sich als prak 
tische Konsequenz ergeben, dafs der Gerichtsvollzieher für Ausführung seiner 
Vollstreckungsakte dem Gläubiger nicht nur als Beamter, sondern nach den 
Grundsätzen des Mandats verhaftet wäre, — z. B. dann, wenn er die 
Vollstreckungshandlung verzögert und dadurch einen andren Gläubiger hätte 
zuvorkommen lassen’. (So das R.G., verein. C.S. vom 10. Juni 1886. 16, 396.) 
Diese Auffassung thut jedoch den Thatsachen Gewalt an. Zweifellos 
müfste ein Mandatsverhältnis neben dem Amtsverhältnis als etwas 
höchst Anomales derjenige beweisen, der es behauptet, und er könnte es 
nur mit Hilfe der Darlegung beweisen, dafs das rechtliche Verhältnis zwischen 
1 Dies fällt z. B. ins Gewicht im Gebiet des preufs. L.R. Hiernach (II, 10 § 85 ff. 91) 
haftet für den durch vertretbares Versehen bei Ausführung einer Amtshandlung ver 
ursachten Schaden der Beamte nur dann, wenn kein andres gesetzliches Mittel mehr 
übrig ist, den schädlichen Folgen eines solchen Versehens abzuhelfen. Der Mandatar 
haftet dagegen selbstverständlich ohne weiteres für jeden fahrlässig verursachten 
Schaden
	        
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