Full text: Lehrbuch des deutschen Civilprozessrechts ([Hauptbd.])

Einstweilige Verfügungen des § 819. 
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vom angeblichen Schwängerer Unterhaltsbeiträge verlangt, — einen Arbeiter. 
der wegen Fabrikunfalls vom Arbeitgeber eine Rente beansprucht, — eine 
Putzmacherin, die als Vorsteherin eines Putzgeschäfts engagiert von ihrem 
Prinzipal kündigungslos entlassen, auf den Gehalt für die ganze Vertragszeit 
geklagt hat (R.G. 9, 334), — und zwar für alle diese Personen dann, wenn 
sie behaupten, wegen persönlicher Notlage vorläufiger Unterhaltsmittel 
zu bedürfen. Wird hier provisorisch dem Beklagten die Zahlung regelmässiger 
Renten auferlegt, so wird damit ein aufserh alb des Privatrechtsverhältnisses 
selbst liegender „Nachteil abgewendet“ 1 2 
Für andere Ansprüche bildet den Hauptgrund für die einstweilige 
Verfügung die Besorgnis vor Unruhen und Gewaltthätigkeiten (vgl. § 819). 
Sie kann einen Grund abgeben, wo zwei Grundnachbarn wegen Grenzregulierung, 
wegen Wege- oder Wasserschöpfgerechtigkeit streiten, wo Vermieter und 
Mieter um den Mietzins uneins sind, der Mieter auszuziehen, der Vermieter 
sein Retentionsrecht an den Illaten geltend zu machen und der Mieter sich 
dem zu widersetzen droht. In vielen dieser Fälle ersetzt die einstweilige 
Verfügung jetzt das frühere gemeinrechtliche possessorium summariis 
simum3 
Aber auch die Besorgnis vor andren Nachteilen kann die Verhandlung 
begründen, — z. B. der Umstand, dafs in einem bekannten Reisehandbuch 
ein kreditgefährdendes Urteil über ein Hotel enthalten ist und dass der Hotel 
besitzer, der auf Entfernung jener Buchstelle klagt, in der Zwischenzeit 
bis zur Entscheidung Einbufse an Zuspruch erleidet (Gesuch um einstw. 
Verfügung, dafs der Verkauf des Reisehandbuchs zu verbieten sei), — der 
Umstand, dafs ein Reisender, dessen Gastwirt seinen Koffer als Pfand  
angeblich widerrechtlich — zurückbehält, nicht im Stande ist, seine Reise 
fortzusetzen (Gesuch um einstw. Verfügung, dafs der Koffer einstweilen gegen 
Sicherheitsleistung herausgegeben werde)“. 
III. (Verfahren.) Das Verfahren, in welchem die Be 
dingungen des arrestatorischen Rechtsschutzes (11) zu prüfen und 
der letztere entweder anzuordnen oder zu versagen ist, ist vor 
behaltlich ausdrücklich namhaft gemachter Abweichungen das 
Gleiche für Arrest und für einstweilige Verfügungen (§ 815). Es 
ist sowohl nach Aufbau wie nach Inhalt durch eigenartige 
Grundsätze beherrscht. 
Der Aufbau des Verfahrens, das sich in Beginn, Verlauf und Er 
gebnis unabhängig vom ordentlichen Prozefs über den sicherungs 
bedürftigen oder streitigen Anspruch selbst entwickelt, kann sich in 
den einzelnen Fällen verschieden gestalten, aber nach Gesichts 
1 Dagegen ist in allen diesen Fällen Arrest zu verhängen wenn der Kläger be 
hauptet, dafs der Vater sein Geld in Spielhöllen verschleudre, dafs der Fabrikant sein 
Geschäft zu verkaufen und auszuwandern beabsichtige etc. Denn dann handelt es sich 
um Sicherung der Vollstreckung des Privatrechtsverhältnisses selbst. 
2 Anders liegt der Fall R.G. 15, 377. 
3 Deshalb sind die Regeln, welche das gem. R. oder ein andres Civilrecht früher 
für die Voraussetzungen eines solchen Dekrets aufstellten (insbes., dals solchen pro 
visorischen Besitz der verlangen könne, welcher die letzte ungestörte Besitzausübung nach 
weist) durch C.P.O. beseitigt. Das Gericht entscheidet jetzt nach freiem Ermessen 
(s. unten III). 
4 Ganz wohl kann auch eine und dieselbe Thatsache sowohl unter dem Gesichts 
punkt des § 814 als auch unter dem des § 819 eine einstweilige Verfügung motivieren 
Hat z. B., ein Fabrikant sein Geschäft mit allen Aktiven verkauft, schickt er sich aber 
unmittelbar vor der Übergabe an, die auf dem Fabrikgebäude befindliche Telephon 
leitung zu entfernen, weil sie angeblich nicht zu den Aktiven des Geschäfts gehöre, son 
dern ein persönliches Bequemlichkeitsbedürfnis befriedige, so kann der Käufer hier einst 
weilige Verfügung verlangen 1. weil die vorzeitige Entfernung die spätere Übergabe un 
möglich mache, falls die Leitung doch als Aktivum zu betrachten wäre (§ 814), 2. weil 
bei Entfernung der Käufer eine Zeitlang ohne Telephon sei und dadurch im Verkehr mit 
den Kunden nachteilig gehindert werde (§ 819).
	        
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