Wirkungen der Beschlagnahme.
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der Gegensatz zwischen dem Prinzip der Gleichberechtigung
und dem Prioritätsprinzip (vgl. oben S. 597). Die unter
französischem Einflufs stehenden süddeutschen Rechte (besonders
Baden, Württemberg) stehen hier noch immer auf dem Standpunkt,
dafs die Beschlagnahme des Grundstücks zu Gunsten sämtlicher
Gläubiger wirkt und dafs deshalb der Erlös der Versteigerung oder
Verwaltung zwischen dem erstbetreibenden und den sich bis zum
Zuschlag anschliefsenden Vollstreckungsgläubigern proportionell
geteilt wird, während nur die eingetragenen Pfandgläubiger
den Vorzug nach Rang ihrer Hypothek geniefsen'. Die neueren
Gesetzgebungen dagegen (Preufsen, Sachsen, Bayern) sind bereits,
konform mit der C.P.O., dem Prinzip des Pfändungspfand
rechts gefolgt, sodafs der beschlagnahmende Gläubiger in dem
selben Sinne wie ein auf vertragsmäfsigem oder gesetzlichem Titel
eingetragener Hypothekengläubiger ein Vorzugsrecht vor den
nachfolgenden Gläubigern erwirbt, bei Zwangsversteigerung am
Grundstück selbst, bei Zwangsverwaltung an den Erträgnissen
(Preufsen, Subh.O. § 30. 143, Bayern, Subh.O. 1879 a. 9) 2.
Nach Reichsgesetz erfolgt die Beschlagnahme durch einen ge
richtlichen Beschlufs, der die Zwangsversteigerung oder Zwangsver
waltung anordnet (§ 15. 20. 146). Sie wird mit der Zustellung des Beschlusses
an den Schuldner oder durch Überreichung des Ersuchens um Eintragung
an das Grundbuchamt wirksam (sofern die Eintragung nachträglich erfolgt;
§ 22, 1. 19, vgl. auch § 151). Auf Antrag später kommender Gläubiger er
geht die Anordnung, dafs der Beitritt des Antragstellers zu dem Verfahren
zugelassen wird (§ 27).
Die Wirkung der Beschlagnahme ist:
a) gegenüber dem Schuldner die eines Veräufserungsverbots (§ 23).
Die rechtliche Verfügung über das Grundstück ist also (gemäss § 135
B.G.B.) den vollstreckungsuchenden Personen gegenüber unwirksam. Wird
die Vollstreckung von einem Gläubiger betrieben, dessen Anspruch auf einem
im Grundbuch eingetragnen Rechte (Reallast, Hypothek, Grundschuld, Renten
schuld) beruht, so wird der Fortgang des Verfahrens durch Veräufserung
nach der Beschlagnahme selbst dann nicht gehindert, wenn der Erwerber von
der Beschlagnahme keine Kenntnis hatte (§ 26). Wird die Vollstreckung von
einem nur persönlich Berechtigten betrieben, so wird sie wenigstens dann
nicht gehindert, wenn der Dritte von der Beschlagnahme Kenntnis hatte, wo
bei die Kenntnis des Versteigerungsantrags der der Beschlagnahme gleich
— Die Verwaltung und Benutzung bleibt:
steht (§ 23)3.
im Zwangsversteigerungsverfahren dem Schuldner nur innerhalb der
Grenzen ordnungsmässiger Wirtschaft (§ 24, — Sicherungsmassregeln § 25);
2. im Zwangsverwaltungsverfahren wird ihm Verwaltung u. Benutzung ganz
entzogen (§ 148, 2), nur Räume für den Hausstand sind ihm zu belassen (§ 149).
1 Baden E.G. 1879 § 74 (für die Zwangsverwaltung, Immission § 97). Wenn nichts
destoweniger die bad. Jurisprudenz dem Gläubiger ein Vollstreckungspfandrecht zuspricht,
nämlich ein durch Nichtanschlufs andrer Gläubiger bedingtes (Dorner, bad. Annal. 47,
269; Betzinger-Gaupp 67), so geschieht dies missbräuchlich in doktrinärer Umhüllung
der (selbstverständlichen) Thatsache, dafs der pfändende Gl. auf die Erstehungsgelder
einen Vorzug vor den nach dem Zuschlag kommenden Gläubigern hat. Das praktisch
Wesentliche des Pfändungspfandrechts der C.P O. § 709 (Vorzug des früher Pfändenden
vor dem später Pfändenden) fehlt jedenfalls. — Ebenso Württemberg art. 22 Abs. 3.
2 Für Sachsen folgt dies schon daraus, dafs die Beschlagnahme stets eine Hypo
thek verleiht (oben S. 641).
Dem Schuldner ist die Verfügung über mitergriffne Pertinenzen etc. in den
Grenzen ordnungsmässiger Wirtschaft gestattet (§ 23, 1, — für die Zw.Verw. nicht giltig,
§ 148).
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