III. Prozefshandlungen. § 103. Wiederaufnahmeklagen.
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2, wenn eine Urkunde, auf welche das Urteil gegründet
ist (von der Partei oder einem Dritten), fälschlich angefertigt
oder verfälscht war (§ 543 nr. 2 in Verb. m. St.G.B § 267 bis
269, 271).
3, wenn durch Beeidigung eines Zeugnisses oder eines Gut
achtens, auf welche das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder der
Sachverständige (auch der Dolmetscher, oben S. 322) sich einer
vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig
gemacht hat (§ 543 nr. 3 in V. m. St.G.B. § 154, 155, 163).
4. wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei, oder von
dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf
den Rechtsstreit verübte Handlung erwirkt ist, welche mit einer
im Wege des gerichtlichen Strafverfahrens zu verhängenden
öffentlichen Strafe bedroht ist (nr. 4), z. B. durch Verleitung
eines Dritten zum Falscheid (St.G.B. § 160), durch Betrug des
Richters mit gefälschten Augenscheinsobjekten (St.G.B. § 263).
durch Untreue des Rechtsanwalts (St.G.B. § 266).
5. wenn ein Richter bei dem Urteile mitgewirkt hat, welcher
sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer öffentlich und gericht
lich strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei
schuldig gemacht hat (nr. 5), der passiven Bestechung (St.G.B.
§ 334) der Rechtsbeugung (§ 336), des Mifsbrauchs der Amts
gewalt (§ 339), der falschen amtlichen Beurkundung (§ 348)1
6. wenn ein strafgerichtliches Urteil, auf welches das Urteil
gegründet ist 2, durch ein anderes rechtskräftig gewordenes Urteil
aufgehoben ist (§ 543 nr. 6).
7. wenn die Partei :
a) ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig
ge wordenes Urteil oder
eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den
Stand gesetzt wird, welche eine ihr günstigere Entscheidung
herbeigeführt haben würde? (§ 543 nr. 7).
Die Restitutionsgründe lassen sich hiernach bezeichnen teils als Begehung
strafbarer Handlung, die durch ihre Einmischung eine ungerechte
Entscheidung verursacht haben (sogenannte falsa oder quasi falsa, n. 1—5),
teils als Entdeckung neuen Prozefsstoffs, dessen Mangel diese Wirkung
gehabt hat (nova reperta n. 6. 7). Die Unterscheidung wird praktisch durch
§ 544, 1. Obwohl namlich Civilentscheidung und Strafentscheidung über den
selben Thatbestand nicht aneinander gebunden sind, so wäre es doch ein
„unerwünschter Zustand“ (Mot. 337), wenn in so kritischen Fragen Civilgericht
und Strafgericht nicht gemeinsame oder gar verschiedne Stellung nehmen
wollten. Deshalb soll in den Fällen nr. 1—5 die Restitutionsklage nur statt
finden, „wenn wegen der straf baren Handlung eine rechtskräftige Verurteilung
1 Es genügt nicht eine blofs disziplinär strafbare Handlung des Richters.
2 D. h. ein Strafurteil, welches (in der oben S. 129 lit. b bezeichneten Weise) that
sächlich auf die Meinung des Civilgerichts Einflufs geübt hatte
3 Allerdings nur eine solche Urkunde, die nicht erst in Verbindung mit andern
noch zu erhebenden Beweisen eine andre Entscheidung des Gerichts begründet, son
dern für sich allein oder in Verbindung mit den bereits erhobnen (R.G. 7, 321. 14,
329. 16, 438).