Formelle Rechtskraft. Abänderlichkeit.
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fällig und ausnahmsweise können sie zusammentreffen und sich
gegenseitig beeinflussen (beachte den flgd. §, lit. a, lit. b a. E.).
§ 99. Die Grenzen der Abänderlichkeit der Entscheidungen.
Nach der Erwägung (oben § 98, lit. b, no. 1), dafs für die
wichtigen und eingreifenden Entscheidungen eine Abänderung
oder völlige Aufhebung nach ihrem Erlafs mit dem Interesse der
Sicherheit und Stetigkeit der Rechtspflege nicht verträglich ist,
gestattet C.P.O. solche nur bei minderwichtigen, insbesondere bei den
geringfügigen Fällen der prozessualen Vorentscheidungen. Dies
liegt ausgesprochen in § 289: „das Gericht ist an die Entscheidung,
welche in den von ihm erlassenen End- und Zwischenurteilen
enthalten ist, gebunden“, woraus (in Verb. m. § 294, 2; 534) folgt,
dafs die Entscheidungen in Beschlüssen und Verfügungen
grundsätzlich für das dekretierende Gericht nicht bindend, also
widerruflich sind. Da jedoch die Unterscheidung von wichtigen
und minderwichtigen Dekreten, wenn sie in äufserlicher Weise
allein von dem Gegensatz von Urteilen einerseits, Beschlüssen
und Verfügungen andererseits abhängig gemacht wird, eine mehr
oder weniger willkürliche sein würde, so trägt C.P.O. Sorge, die
Schroffheit der prinzipiellen Grenze durch zwei Ausnahme
vorschriften abzumildern.
a) Einerseits wird für diejenigen Dekrete, welche durch
„sofortige Beschwerde“ anfechtbar sind (§ 540, 1) bestimmt, dals
das Gericht „zu einer Abänderung seiner durch Beschwerde an
gegriffenen Verfügung’ nicht befugt“ ist (§ 530, 1). Es wird also
auch für gewisse Beschlüsse und zwar solche besonders ein
greifenden Inhalts, die Unabänderlichkeit ausgesprochen von dem
Augenblick an, wo die Partei anfechtend gegen sie vorgeht.
In allen Fällen der sofortigen Beschwerde handelt es sich (abgesehen
von Zwischenurteilen, die ohehin nach § 289 unabänderlich sind) um Be
schlüsse, die die Partei oder einen am Prozefs beteiligten Dritten oder einen
Beamten unmittelbar beschränken, bez. verpflichten: Beschlüsse auf Ver
werfung der Ablehnung von Richtern, Geschworenen, Sachverständigen (§ 46.
49. 371), auf Zulassung des Nebenintervenienten (§ 68), auf Verurteilung eines
Parteivertreters oder Beamten zur Kostentragung (§ 97), über die Höhe der
Prozefskosten (§ 99) u. s. f. (§ 126. 229. 290. 301. 352 und 367. 639. 701. 813,
dazu gewisse Dekrete im Entmündigungsverfahren § 604. 621. 619. 625, 2
und Aufgebotsverfahren § 829). Überall besteht also ein Interesse daran,
dafs möglichst rasch ein fester Zustand erreicht werde (wie bei den Urteilen).
Zu diesem Zweck müsste aber folgerichtig C.P.O. die Unabänderlichkeit dieser
Beschlüsse schon von ihrem Erlafs ab vorschreiben (so in der That
Nordd. E. § 824). In Wahrheit tritt sie nach dem Wortlaut des Gesetzes
1 Verfügung ist hier nicht im technischen Sinn (= Dekret des Vorsitzenden) ge
braucht, sondern im Sinn der (im Beschlufs enthaltenen, § 289) Entscheidung (vgl. oben
S. 508, A. 1), denn ausweislich der einzelnen Best. des Ges. richtet sich die sofortige Be
schwerde stets gegen Dekrete des Gerichts (Zwischenurteile und Beschlüsse).