Bedingtes Urteil und Eidesbeweisbeschlufs.
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3, wenn der Eid im Urkunden- oder Wechselprozefs aufgelegt
wird; hier ist umgekehrt bedingtes Urteil ausgeschlossen (§ 558:
hierüb. s. § 129, III).
Für die Auferlegung eines Eides über ein selbständiges Angriffs- oder
Verteidigungsmittel (eine von mehreren Klaggründen, eine von mehreren Ein
reden) steht aufserdem der eigentümliche Weg des bedingten Zwischen
urteils zur Verfügung (§ 426, 2, s. darüber unten § 95).
Ist einer Partei der Eid bereits durch bedingtes Urteil auferlegt worden,
so kann der Gegner nur ausnahmsweise auch nach Eintritt der Rechtskraft
die Zuschiebung sowie die Zurückschiebung widerrufen, wenn der Schwur
pflichtige wegen wissentlicher Verletzung der Eidespflicht rechtskräftig ver
urteilt oder wenn glaubhaft gemacht wird, dafs der Gegner erst nach erfolgter
Zuschiebung oder Zurückschiebung des Eides von einer solchen Verurteilung
Kenntnis erlangt habe (§ 432). In diesem Fall kann der Gegner alle Rechte
ausüben, die ihm vor der Zu- oder Zurückschiebung zustanden (§ 433, 2).
Andrerseits wird der Schwurpflichtige durch die Auferlegung des
Eides nicht gehindert, frühere Behauptungen zurückzunehmen oder früher
bestrittene Thatsachen zuzugestehen. Thut er dies, so kann er sich zur
Leistung eines beschränkteren Eides erbieten. Auch können unerhebliche
Umstände, welche in die Eidesnorm aufgenommen sind, berichtigt werden
(§ 431).
Aber auch im Inhalt der verschiedenen Formen der Eides
auflegung ist das Gericht insofern gebunden, als das Gesetz ihm
Vorschriften über die Fassung des Eides macht:
1, die Eidesformel, d. h. die das Eidesthema bekräftigende
Beteuerungsformel, ist ein- für allemal durch § 443 festgesetzt.
Die Einleitungsformel lautet: „Ich schwöre bei Gott, dem All
mächtigen und Allwissenden,“ — die Schlufsformel: „So wahr mir
Gott helfe.
Diese Formel wird somit vom Gesetz ohne Rücksicht auf die persönlichen
religiösen Anschauungen des Schwörenden aufgestellt. Sowohl die Angehörigen
der verschiedenen (an einen persönlichen Gott glaubenden) Religionsparteien,
(Christen, Juden), wie die, welche diesen Glauben überhaupt nicht besitzen,
müssen den Eid mit allen seinen Folgen in dieser Form auf sich nehmen,
falls sie nicht die Folgen der Eidesverweigerung erfahren wollen.
Eine Ausnahme gilt nur für die Mitglieder der Religionsgesellschaften,
denen das Gesetz den Gebrauch gewisser Beteuerungsformeln an Stelle des
Eides ausdrücklich gestattet. Sie geben die Eideserklärung unter dieser Be
teuerungsformel ab (überall gleichmässig gestattet nur den Menoniten).
2. Die Eidesnorm, d. h. die durch die Eidesformel zu be
kräftigende Thatsache oder Thatsachenmehrheit, wird je nach der
Prozefslage durch die gerichtliche Entscheidung festgesetzt, — aber
auch hierbei ist das Gericht gebunden, hinsichtlich des Grads
der Bestimmtheit, in welchem die Thatsachenversicherung
durch die Partei abgegeben werden soll:
a) Falls die Partei den Eid (gleichviel ob einen zugeschobenen
oder richterlichen Eid) über eigne Handlungen oder Wahrnehmungen
zu leisten hat, schwört sie ihn jedenfalls als Wahrheitseid (de veri
tate), d. h. über die Wahrheit der beweisbedürftigen That
sache selbst. In diesem Sinne kann er jedoch in bestimmterer