III. Prozefshandlungen. § 81. Beweisaufnahme.
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weiserhebung und Vermittlung und damit die Durchführung des
gesamten Prinzips geradezu in das Ermessen des Gerichts (§ 337).
b) Die Übertragung von Zeugen- und Sachverständigenver
nehmung, Urkundeneinsicht und Eidesabnahme an vermittelnde
Richter knüpft C.P.O. zwar an gesetzliche Voraussetzungen (§ 340,
367 in Verb. mit § 370, 399, 441), aber in einer Fassung, dafs
auch hier ihre Benutzung dem Prozefsgericht in sehr zahlreichen
Fällen ermöglicht wird.
Der Fassung des Gesetzes nach ist die kommissarische Erhebung der
Wahrnehmungsobjekte und der übrigen Beweismittel grundsätzlich ver
schieden begrenzt'. In Wahrheit aber ist der Gegensatz kein sehr erheblicher.
Einerseits sind die Grenzen der kommissarischen Erhebung von Aus
kunftspersonen, Urkunden und Eiden sehr dehnbare. Die Durchbrechung der
Unmittelbarkeit ist möglich:
a) für Zeugen- und Sachverständigenbeweis (§ 340 in Ver
bindung mit § 367):
1. wenn zur Ausmittelung der Wahrheit die Vernehmung des Zeugen
(Sachverständigen) an Ort und Stelle dienlich erscheint (z. B. zur Konfron
tation mit einem andern nur dort vernehmbaren Zeugen);
2. wenn die Beweisaufnahme vor dem Prozefsgericht erheblichen Schwie
rigkeiten unterliegen würde;
3. wenn der Zeuge (Sachverständige) verhindert ist, vor dem Prozefs
gerichte zu erscheinen;
4. wenn der Zeuge (etc.) in grofser Entfernung von dem Sitze des Pro
zefsgerichts sich aufhält.
Die Beauftragung oder Ersuchung eines Richters wird notwendig zum
Zweck der Vernehmung der Landesherrn, der Mitglieder landesherrlicher
Familien oder der Familie Hohenzollern, da diese stets in ihrer Wohnung
zu vernehmen sind (§ 340, Abs. 2), sowie event. zur Vernehmung des Reichs
kanzlers, der Minister und andrer höchster Beamten, der Bundesrats- und
Parlamentsmitglieder, da diese regelmässig an ihrem Amts- oder Funktions
sitz, also immer dann kommissarisch zu vernehmen sind, wenn das Prozefs
gericht an einem andern Orte thätig ist (§ 347). Im letztem Fall ist zur Auf
rechterhaltung der Unmittelbarkeit die Genehmigung des Staatshaupts, des
unmittelbaren Vorgesetzten, der gesetzgebenden Körperschaft erforderlich
(§ 347, 2 — vgl. hierzu unten § 86, III).
b) bei Urkundenbeweis, wenn die Vorlegung der Urkunde bei der
mündlichen Verhandlung „wegen erheblicher Hindernisse nicht erfolgen kann
oder wegen der Wichtigkeit der Urkunde und der Besorgnis des Verlustes
(§ 399).
oder der Beschädigung bedenklich erscheint
c) bei Eidesbeweis, wenn der Schwurpflichtige am Erscheinen vor
dem Prozefsgerichte verhindert ist oder in grofser Entfernung von dem Sitze
desselben sich aufhält“ (§ 441). Auch hier ist die Durchbrechung des Prin
zips notwendig bei Eidesleistungen der Landesherrn, der Mitglieder landes
herrlicher Familien und der fürstlichen Familie Hohenzollern (§ 441, 2).
Aus diesen Vorschriften kann eine ungemein grofse Ausdehnung der
kommissarischen Beweisaufnahme hergeleitet werden, besonders der kom
missarischen Zeugenvernehmung, mit Hilfe der (zweifellos der Absicht des
Gesetzes nicht entsprechenden) Auslegung des § 340, dafs als „erhebliche
Schwierigkeit“ (nr. 2) auch die Geschäftsüberlastung des Gerichts, als „grofse
Entfernung“ schon der Wohnsitz des Zeugen aufserhalb des Sprengels des
jenigen Amtsgerichts behandelt wird, welches am Sitz des Prozefsgerichts
’ Die Behauptung, dafs zwischen a und b kein grundsätzlicher Unterschied bestehe
und § 337 aus Analogie von § 340 etc. einschränkend zu interpretieren sei (v. Kries, Z. f.
Strafr.-Wiss. 6, 201), findet weder in der Fassung des Ges. noch in der Natur der Sache
eine Begründung