Full text: Lehrbuch des deutschen Civilprozessrechts ([Hauptbd.])

III. Prozefshandlungen. § 77. Versäumnisverfahren. 
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Die Schwierigkeit der Handhabung des § 296 liegt wie die der An 
wendung des § 290 darin, dafs die Vorbedingungen für die Verurteilung des 
Beklagten, welche er aufstellt, leicht mit gewissen allgemeinen Vor 
bedingungen des Prozesses und mit weiteren Vorbedingungen des Versäumnis 
urteils, welche § 396 nr. 3 aufstellt (vorherige Benachrichtigung des Be 
klagten durch schriftliche Mitteilung des mündlichen Vorbringens) 
verwechselt werden. Es ist zu unterscheiden: 
a) Ist die Klage giltig erhoben, hat aber der Kläger nicht alle anspruch 
begründenden (substanziierenden) Thatsachen in der mündlichen Verhandlung 
behauptet, so ist der Kläger mit dem Anspruch durch Sachurteil abzu 
weisen, — so z. B. wenn Gläubiger eine best. bezifferte und datierte Kauf 
preisschuld für Warenlieferung gegen eine Ehefrau eingeklagt, — in der 
mündlichen Verhandlung aber nicht behauptet hat, dafs dieselbe Handels 
frau sei (§.299 2). Dieses Urteil ist kontradiktorisches Urteil in demselben 
Sinn wie die Aberkennung des Anspruchs in kontradiktorischer Verhandlung. 
Denn auch hier muss der Kläger den Klaggrund beweisen, und zu diesem 
Zweck ihn behaupten. Dieses Urteil schafft (wenn es unanfechtbar ge 
worden ist durch Nichteinlegung der Berufung) Rechtskraft für das Nicht 
bestehen des Anspruchs! 
b) Ist dagegen die Klage überhaupt nicht giltig erhoben, — ist z. B. in 
der Klagschrift die Warenlieferung, für die der Kaufpreis gefordert wird, nicht 
(nach den Gegenständen) individualisiert und (nach der Zeit) datiert, so ist 
der Kläger mit der Klage durch Prozefsurteil (absol. ab instantia, — 
entspr. oben S. 391 zu Anf.) abzuweisen. Dieses Urteil ist ebenfalls einem 
kontradiktorischen Urteil im gleichen Fall gleichwertig, schafft aber (im 
Gegens. zu lit. a) nicht materielle Rechtskraft. 
c) Ist endlich die Klage giltig erhoben und alles thatsächliche Vor 
bringen behauptet, so bleibt gemäss § 359 n. 3 noch immer die Möglichkeit, 
dafs nicht alles mündliche Vorbringen rechtzeitig mittels Schriftsatzes 
mitgeteilt worden. Dann ist nur der Antrag auf Erlafs des Versäumnisurteils 
durch Beschlufs abzulehnen, — die Klage bleibt anhängig2 
Das normale Versäumnisverfahren gegen den Beklagten tritt aufser 
Kraft in Ehesachen. Hier ist ein eigentliches Versäumnisurteil gegen den 
Beklagten nur dann zu erlassen, wenn er im Termin der Eidesleistung aus 
bleibt (§ 678, 4,— darüber unten § 95 a. E.). Im übrigen wird bei Ausbleiben 
des Beklagten einseitig verhandelt und Beweis erhoben, also kontradiktorisches 
Urteil erlassen (Rest des gemeinr. Eremodizialverfahrens, oben S. 388), jedoch 
nicht sofort im ersten Termin, in welchem der Beklagte ausbleibt, sondern 
erst in einem neuen, auf Antrag des Klägers zu bestimmenden Termin, zu 
vgl. unten S. 404). Anders 
dem der Beklagte zu laden ist (§ 678, 
nur, wenn der säumige Beklagte durch öffentliche Zustellung geladen war 
(Abs. 3)3. — Auf Entmündigungssachen findet § 678 Anwendung (§ 670). 
Hiernach bedarf es einer theoretischen Erfassung des Versäumnis 
verfahrens aus allgemeineren Rechtsgedanken, insbesondere aus einer Willens 
1 Dies ändert aber nichts daran, dafs auch dieses (dem Beklagten günstige) Urteil 
gegenüber dem Beklagten auf Grund seiner Versäumnis, also als Versäum 
nisurteil erlassen ist. Auch dieses Urteil (vom Kläger mit Berufung anfechtbar) kann 
also seitens des Beklagten mit Einspruch beseitigt werden (z. B. wenn derselbe die 
Instanz nicht verlieren will, wenn er die Absicht hat Widerklage zu erheben, was er in 
2. Instanz nicht mehr könnte etc.). So Wach, Vortr. 190. Kohler, Forsch. 60.— A. die 
herrsch. M., bes. alle Kommentare. (Seuffert § 474 n. 1 etc. 
2 Aus der Vorschrift des § 300 n. 3 und der dort ausdrücklich vorgeschriebenen Be 
handlung ergiebt sich eine neue Bestätigung dafür, dafs C.P.O. § 230 zur Giltigkeit der 
Klage nicht die volle Substanziierung des Klaggrunds, sondern nur die Indivi 
dualisierung des Klaganspruchs verlangt (s. oben S. 380). Denn wäre das erstere er 
forderlich, so wäre § 300 n. 3 gerade für den wichtigsten Fall der Versäumnis (der 
Fall der Versäumnis des Beklagten im ersten Termin auf die Klage) unrichtig: es mülste 
dann nach lit. b Klagabweisung durch Urteil eintreten. 
3 Gewisse Abänderungen des Versäumnisverfahrens, aber nicht in wesentlichen 
Punkten im Gewerbegerichtsprozefs (R.Ges. v. 29. Juli 1890 § 37 ff.). — Über den 
Urkundenprozefs unten § 129, III.
	        
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