Übersicht. § 3. Handlungen des Civilprozesses.
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Bedürfnis (Vorbem. II). Eine Anschauung, die den Civilprozels
als einen Selbsthilfekampf der Parteien schildert, in welchem die
Gerichtsthätigkeit nur das der Rechtsordnung selbst entrückte
Medium der Parteithätigkeit bildet, verkennt die soziale Gefahr
des Civilprozesses und damit die rechtspolitischen Grundgedanken
des Civilprozefsrechts.
Hierin liegt das Irreführende der sämtlich von dieser Anschauung ge
tragnen prozessualen Schriften Kohlers (besonders: der Prozefs als Rechts
verhältnis 1888, S. 6 ff. u. ö.)
§ 3. Die Handlungen des Civilprozesses.
Wach, Handbuch des deutschen C.P.R. I. § 3. Planck, Lehrb. d. d. C.P.R. I. 1887. 193.
Fitting,, der Reichscivilprozefs (7. A. 1890), 5. Schultze, Begr. d. C.Pr. Z. 12, 470.
I. (Die Prozefshandlungen.) Da sich die Rechtspflege
anstalt in Thätigkeit verkörpert, so bilden nächst den als Organe
des Rechtsschutzes eingreifenden Personen (§ 2) Thätigkeiten,
Willenshandlungen den hauptsächlichen Gegenstand des Civil
prozefsrechts. Den historischen Vorgang, der sich in einer An
einanderreihung der auf dieselbe Privatrechtsbeziehung bezüglichen
Handlungen verkörpert, nennt man den Civilprozefs im engeren
Sinne, das Verfahren; — die Handlungen selbst, welche, sei es
vom Standpunkt des Gerichts, sei es vom Standpunkt der Parteien aus,
dem Interesse an der Herbeiführung des Rechtsschutzes entspringen,
bezeichnet man als Prozefshandlungen. Prozelshandlungen
sind danach nicht alle Handlungen, die innerhalb oder anlälslich
des Prozesses vorgenommen werden, sondern nur diejenigen, die
mit bewufster Beziehung auf den Prozefszweck ver
wirklicht werden.
Für die Rechtsschutzgewährung erheblich können auch andre That
sachen als Willenshandlungen sein, z. B. das zufällige Verbrennen einer Ur
kunde, deren Vorlegung der Partei aufgegeben worden, der Ausbruch eines
die Gerichtsthätigkeit unterbrechenden Kriegés, eine Überschwemmung, die
den Rechtsanwalt der Partei am Erscheinen verhindert. Manche bezeichnen
deshalb den Civilprozefs als eine Aneinanderreihung von Prozefsthatsachen,
unter denen die Prozefshandlungen nur als die wichtigsten hervorragen.
(Wach, Hb. I, 24). Aber alle diese Thatsachen werden nur von Bedeutung,
wo im Hinblick auf den Rechtsschutzzweck Willenshandlungen vorgenommen
werden. Indem das Gesetz ihre rechtlichen Folgen regelt, normiert es damit
mittelbar immer wieder nur die Vorbedingungen oder Wirkungen der dem
Prozefszweck dienenden Thätigkeiten, d. h. eben der Prozelshandlungen.
Die Prozefshandlungen sind also die prozefsgestaltenden That
sachen, die prinzipalen Prozefsthatsachen; — alle anderen sind nur
sekundär, mittelbar erheblich. Allerdings giebt es aufserdem einen Kreis von
Thatsachen, die weder Prozefshandlungen sind, noch sich auf einzelne
Prozefshandlungen beziehen, sondern auf den Prozefs als Ganzes ein
wirken. Sie sind unter dem Namen der Bedingungen des civilprozessualen
Rechtsschutzes zusammenzufassen und ihre Regelung bildet einen besonderen
Gegenstand der Prozefsgesetzgebung (vgl. unten § 4). Für sie werden die
meisten Thatsachen von Bedeutung, welche man meist als Prozefsthatsachen,
die nicht Prozefshandlungen sind, aufführt. (Tod einer Partei, Geistes
erkrankung ihres Vormunds, Rücktritt des Vorstands einer klagenden Aktien
gesellschaft, Ausscheiden eines Richters aus dem Kollegium durch Versetzung,